Ein beliebtes Ziel im Rahmen der Stuttgart-Nacht: Der Paternoster im Rathaus. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Rund 8000 Besucher ließen sich vom Schmuddelwetter nicht abhalten und pilgerten in die City, um sich bei mehr als 60 Veranstaltungen einen Querschnitt durch das vielfältige Stuttgarter Kulturangebot zu Gemüte zu führen.

Stuttgart - Die Stuttgart-Nacht hat am Samstag rund 8000 Besucher in die City gelockt, und das obwohl sich das Wetter von seiner schmuddeligen und regnerischen Seite präsentierte.

Die Gäste hatten die Auswahl zwischen 60 Veranstaltungen – von Konzerten über Filme, Tanz- und Theatershows, Poetry Slams, Partys bis hin zu Stadtspaziergängen.

Querschnitt durch das Stuttgarter Kulturprogramm

Dabei bekamen die Besucher im Zeitraum zwischen 19 Uhr und 2 Uhr morgens einen Querschnitt durch das vielfältige Stuttgarter Kulturangebot geboten.

Die unterschiedlichen Programme im Rathaus, Landtag, Oberlandesgericht, Staatstheater im Schauspielhaus, Frau Blum, Kraftpaule, Bix, Café Raupe Immersatt waren wieder mal besondere Anziehungspunkte.

„Kennen sie Loriot?“ Joachim F. Spieth, Richter am Amtsgericht Stuttgart, schaut in den übervollen Saal sechs des Oberlandesgerichts (OLG), manche nicken. Er meint die Szene, in der der Humorist sein Cartoon-Knollenmännchen am Frühstückstisch wegen eines Streits über ein hartgekochtes Ei sagen lässt: „Ich bringe sie um, morgen bringe ich sie um!“ Genau so sei das bei einem echten Ehepaar gewesen. „Mehr als 50 Jahre verheiratet, begütert, ein Sohn, zwei Enkelkinder, immer wieder Streit wegen Alltäglichem.“ Also zückte der über 70-jährige Gatte an einem zweiten Weihnachtsfeiertag das Kleinkaliber, um sie „zu erlösen“. „Trennen kam für ihn nicht in Frage“, so Spieth, der bei der Stuttgartnacht am OLG über „Mord und anderer Grausamkeiten“ berichtete. Aber auch vor dem Gerichtssaal war viel los. Unter anderem ließen Justizwachtmeister in ihren Berufsalltag und Abwehrtechniken bei Angriffen blicken, merkten Besucher beim Testparcour des Bunds gegen Drogen und Alkohol im Straßenverkehr, dass der Weg mit 0,8 oder 1,3 Promille schwer zu finden ist – dank einer Simulationsbrille, während im Untergeschoss Juristenbands jazzten.

Doch nicht nur am OLG, auch an anderen der 60 teilnehmenden Kulturorte in den Mittequartieren, Süden, Osten und Westen bis nach Bad Cannstatt ging es lebhaft zu. Ein Kommen und Gehen im Stadtpalais und im Landesmuseum Württemberg: Die Nachtschwärmer lauschten in ersterem neun Mitgliedern des SWR Symphonieorchesters bei ihren musikalischen Experimenten der „Classic Session“; in letzterem erlebten sie Choreografin Eva Baumann, die sich in ihrer sechsstündigen Performance „interlaced“ auf die Spur der Textilkunstpionieren Anni Albers begab. Während am Marienplatz die Geschichtswerkstatt Süd Platzführungen gab oder Beerdigungsjazz aus Louisiana am Heslacher Friedhof spielte, machten Trott-War-Mitarbeiter Alternative Stadtführungen zu sozialen Brennpunkten. Im Osten spannte sich das Programm von der Freien Szene im Projektraum bis zu Stuttgart by Bike, die zum Kesselrollen luden.

Das Stuttgarter Rathaus indes stand im Zeichen der 40-jährigen Partnerschaft mit der Metropole Kairo. Motto: „Afrika Dance Night“. Daniela Burmeister vom Haupt- und Personalamt: „Wir haben das Motto ausgeweitet auf Afrika.“ Und so waren nicht nur Bauchtänzerinnen, Hennamalerei, traditionelle Bekleidung und Gewänder aus Marokko, Kalligraphie zu erleben – Unzählige ließen sich von der Ägypterin Sara ihren Namen schreibkünstlerisch verewigen. Im fahrenden Paternoster sang auch Newcomer Noah Kwaku Soul und Pop-Rock, sich mit der Gitarre begleitend, im Foyer bot die New York City Dance School arabischen Jazztanz, oben vor dem Panoramafenster gab sich Singer-Songwriter Nasim die Ehre. Im dritten und vierten Stock begeisterten die Fotoausstellungen „Benimist (My Istanbul)“ und Barbara Armbrusters „My Cairo“. Ein Besucher: „Man möchte sofort hinfahren.“

Die nächste Stuttgart-Nacht findet übrigens am 17. Oktober 2020 statt.