Sie waren dabei: Stuttgarts OB Fritz Kuhn (Zweiter von links) und Staatssekretär Klaus-Peter Murawski (rechts) Anfang September beim Diesel-Gipfel mit Kanzlerin Angela Merkel und anderen Teilnehmern. Foto: dpa

Nach den Diesel-Gipfeln in Berlin versucht auch Stuttgart Millionen-Fördergelder für Maßnahmen zur Luftreinhaltung zu bekommen. Ideen für die Verwendung gibt es viele.

Stuttgart - Nach den Diesel-Gipfeln unter Mitwirkung von Bundeskanzlerin Angela Merkel kommen im Stuttgarter Rathaus die Überlegungen in Schwung, wie die erhofften Millionen-Überweisungen aus Berlin für die Luftreinhaltung in schadstoffbelasteten Städten am besten eingesetzt werden.

Obwohl die Förderzwecke und die Verteilungskriterien nach Einschätzung von Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) im Kanzleramt erst im Lauf des Monats November geklärt werden dürften, debattierte er mit dem Umwelt- und Technik-Ausschuss am Dienstag gut eine Stunde darüber. Über den Daumen gepeilt, meinte SPD-Fraktionschef Martin Körner, könne Stuttgart 12,5 Millionen Euro erwarten, wenn die in Berlin in Aussicht gestellte eine Milliarde Euro gleichmäßig auf die 80 besonders mit Stickoxiden belasteten Städte verteilt würde. Sollten jene mehr Geld erhalten, die die größte Schadstoffbelastung haben, könnten vielleicht auch 20 Millionen Euro eingehen.

Das sei, darüber herrschte im Ausschuss weitgehend Konsens, nicht die Lösung aller Probleme. Nötig wären eigentlich eine dauerhafte Förderung sowie höhere Zuschüsse des Bundes für Verkehrsprojekte.

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Städte möchten Dobrindts Vorgabe abräumen

Kuhn, der mit 35 anderen Stadtoberhäuptern und „acht oder neun Ministerpräsidenten“ mit Merkel die Sorgen der Kommunen erörtert hatte, konnte auch noch nicht sagen, ob die Gelder mit der Gießkanne oder nach einem anderen Modus verteilt werden sollen. Man habe auch mal überlegt, ob die Verteilung nach der Stärke der Stickoxidbelastung und den Einwohnerzahlen der Städte geregelt werden könnte.

Der OB-Referent Michael Münter brach noch am Dienstagmittag zu einer neuerlichen Besprechung in Berlin auf, um als Vertreter der Kommunen in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit Bund und Ländern über Detailfragen zu beraten. Ziel ist es unter anderem, eine Forderung von Minister Alexander Dobrindt (CSU) nach dem ersten Diesel-Gipfel auszuräumen, der vor dem Treffen bei Merkel stattfand und nach dem zunächst nur 500 Millionen Euro für die Städte angekündigt worden waren. Damals forderte das Ministeriums die Kommunen zur Erstellung von Masterplänen für die Luftreinhaltung auf. Bis Ende September sollen sie Projektskizzen beibringen, bis Ende November Vollanträge stellen, im ersten Halbjahr 2018 Masterpläne erstellen – dann erst soll die Förderung möglich werden. In vielen Städten, in Stuttgart sowieso, gebe es aber schon eine Fülle von einschlägigen Plänen, sagte Münter. Deshalb dringe man darauf, die Förderung nicht an Masterpläne zu knüpfen. Die Stadtverwaltung hofft eher auf die Linie im Kanzleramt.

Kuhn möchte mit dem Geld keine Ticketpreise subventionieren

Klar ist, dass mit dem Geld „viele Sachen denkbar sind“, wie der OB es ausdrückte. Die Verbesserung des SSB-Busfuhrparks – gedacht ist hier an den Ersatz von bis zu 50 Dieselfahrzeugen der nicht mehr zeitgemäßen Umweltnorm Euro 3 – ist nur ein Thema. Kuhn nannte auch einen innerstädtischen Warenumschlagplatz für eine umweltfreundlichere Citylogistik, Fahrradwege, ein Parkhaus für Räder und Elektroroller, die Förderung von Elektrotaxis und Elektrofahrzeugen für Sozialdienste oder die Errichtung von höchst leistungsfähigen Ladesäulen für E-Mobile. Tarife des öffentlichen Nahverkehrs oder die Tarifreform im Sinne einer Einzonenfahrkarte fürs ganze Stuttgarter Stadtgebiet möchte Kuhn mit dem Geld nicht subventionieren, weil das im Zweifel eine Daueraufgabe mit Folgekosten ist. Zusammen mit der Stuttgarter Straßenbahn AG (SSB) arbeite man mit Hochdruck an der Liste, mit der man möglichst viele Fördermittel holen will. Kuhn sagte zu, die Fraktionen zu beteiligen und ihre Ideen aufzunehmen, wenn man die Liste verfeinert.

Die Gelder müssten für etwas verwendet werden, was garantiert die Stickoxidbelastung senke, forderte Alexander Kotz (CDU). Ein Fahrradparkhaus scheide hier seines Erachtens aus, obwohl das ein gutes Vorhaben sei. Ein Warenumschlagplatz sei in Ordnung, der müsse dann aber wirklich eingerichtet, nicht nur vorbereitet werden. Björn Peterhoff (Grüne) brach eine Lanze für eine Fahrradabstellanlage. Martin Körner (SPD) regte nicht nur eine P+R-Anlage in Möhringen an: Die Stadt solle das Geld dafür einsetzen, dass es weitere acht Monate eine vergünstigte Tagesfahrkarte für ganz Stuttgart gebe, nicht nur wie geplant in der winterlichen Feinstaubalarm-Saison.