Zwölf Jahre lang konnten sich die Stuttgarter über immer wieder sinkende Müllgebühren freuen. Nun deutet sich die Trendwende an, denn die Überschüsse sind aufgezehrt.
Stuttgart - Die Haushalte in der Landeshauptstadt müssen sich auf wieder steigende Kosten für die Abfallentsorgung einstellen. Bereits für 2018 könnte die Müllgebühr erhöht werden, 2019 dann zur Finanzierung von besserem Service bei der Abfuhr der Biotonne sogar noch erheblich anziehen. Der Gemeinderat soll das in den nächsten Wochen entscheiden.
2003 mussten die Stuttgarter zuletzt den Geldbeutel für die Abfuhr stärker öffnen (1,25 Prozent Erhöhung beim Rest-, 0,6 beim Biomüll). Seit 2005 sind die Gebühren dann kontinuierlich gesunken. „Um fast 30 Prozent, das war sehr befriedigend“, sagt Thomas Heß, Geschäftsführer des Eigenbetriebs Abfallwirtschaft (AWS). Das städtische Tochterunternehmen wurde technisch erheblich modernisiert und es wurde auch Personal abgebaut. Heß kalkulierte stets konservativ, so sammelten sich Überschüsse an, die nach dem Kommunalabgabengesetz nach spätestens fünf Jahren in Form von Gebührensenkungen an die Kunden zurückfließen müssen. Für 2017 gab es beim Restmüll daher eine Gebührensenkung von durchschnittlich rund 4,6 Prozent.
Überschüsse gehen zur Neige
„Irgendwann ist dieser Topf allerdings leer, sind diese Zeiten vorbei“, so der Geschäftsführer. Für 2018 sei „nicht mehr viel Überschuss da“, Tarifsteigerungen und höhere Fahrzeugkosten müssten bedacht werden. Genaue Daten für 2018 will Heß nicht nennen. „Das sind interne Zahlen, ich darf die Kalkulation nicht offen legen, bevor sie nicht der Betriebsausschuss gesehen hat“.
Der mit Stadträten besetzte Ausschuss soll im November tagen und dann nicht nur die neue Gebührensatzung für 2018 beschließen, sondern auch im Vorgriff auf 2019 eine womöglich kostenträchtige Entscheidung treffen. Und zwar für die Biotonne, die in Stuttgart seit Januar 2015 und noch bis April 2018 flächendeckend eingeführt wird – diese Vorgabe macht das Kreislaufwirtschaftsgesetz. Biomüll könnte dann wie schon Rest- und Papiermüll im Vollservice bedient werden. Die Müllwerker würden die Tonnen also aus dem Hof ziehen und den leeren Behälter zurückschieben. Protagonisten des verbesserten Serviceangebots sind zum Beispiel der Haus- und Grundbesitzerverein. Der Teilservice, bei dem die Haushalte selbst für das Rausstellen verantwortlich sind, stelle vor allem in vielen Mehrfamilienhäusern „einen großen organisatorischen Aufwand dar“, sagt Klaus Lang, Vorsitzender von Haus und Grund. Gerade bei der Biotonne sei es wegen der Geruchsbelästigung „besonders heikel, wenn dies versäumt wird und die Tonne ungeleert bleibt“, sagt Geschäftsführer Ulrich Wecker. Der AWS wirtschafte gut, es sei daher „machbar, den Vollservice für die Biotonne ohne höhere Gebühren zu realisieren“, glaubt Lang.
Besserer Service kostet
Besserer Service für das gleiche Geld? Diese Illusion kann der AWS nicht erfüllen. „Der bessere Service braucht Personal“, sagt Heß. Um die rund 67 500 Biomüll-Tonnen mit 60 bis 240 Liter Inhalt auf den Vollservice umzustellen, seien 40 zusätzliche Ladekräfte nötig. Mehr Fahrzeuge und Fahrer brauche man nicht. Pro Mitarbeiter werden etwa 50 000 Euro kalkuliert, macht im Jahr zwei Millionen Euro Mehrkosten. „Es geht um eine rein politische Entscheidung, wir geben das in die Gremien“, wehrt Heß Fragen nach der Gebührenhöhe ab.
Die Fixkosten der Biomüllgebühr dürfen mit bis zu 56 Prozent durch die Restmüllgebühr quersubventioniert werden. Für einen 60-Liter Bio-Behälter bliebe damit pro Jahr ein Mehrpreis von rund 7,60 Euro, immerhin ein Aufschlag von 18 Prozent auf die jetzt 42 Euro. Für das 120-Liter-Bio-Behältnis könnten 2019 dann für den Gewinn an Komfort 97,40 statt 82,20 Euro fällig werden. Der AWS kann den Aufschlag unterschiedlich gewichten.
Biomüll wird quersubventioniert
Auch die Restmüllgebühr würde wegen der Quersubvention steigen. Die Entlastung für 2017 um rund 4,6 Prozent bedeutete 2,1 Millionen Euro weniger Einnahmen beim AWS. Die Subvention für den Biomüll würde bei den 105 726 Restmüllbehältern zu rund 1,1 Millionen Euro Mehrkosten führen, einem Preisanstieg von etwa 2,4 Prozent. Das wären bei der 120-Liter-Tonne (14-tägliche Leerung) an die 4,60 Euro Aufschlag und damit dann 188,20 Euro im Jahr. Ein Überschuss kann den Anstieg dämpfen.
Heß will die Rechnung nicht kommentieren. Solle sich die Serviceleistung beim Biomüll zum 1. Januar 2019 ändern, müsse Ende 2018 ein Beschluss fallen. Denn der Betrieb müsse dann auf Personalsuche gehen.