Ein Ballon mit einer Botschaft dieser Schüler aus Reyniès ist in Schönaich gelandet – und bei Joachim Stahl. Foto: Caroline Holowiecki

Joachim Stahl aus Stuttgart-Möhringen hat eine Nachricht gefunden, die ein Bub in einem hunderte Kilometer entfernten französischen Dorf per Luftpost losgeschickt hatte. Daraus ist etwas entstanden, was keiner ahnen konnte.

Möhringen - Joachim Stahl, 70 Jahre alt, Urologe aus Möhringen. Aaron, ein französischer Junge, der in Reyniès lebt, etwa 45 Kilometer von Toulouse entfernt. Und Auguste Bedel, ebenfalls Einwohner des 870-Seelen-Dorfes, der im Ersten Weltkrieg gefallen ist. Was diese drei Menschen verbindet? Eine kleine blaue Karte. Gefunden hat Joachim Stahl sie vor einer Woche auf der Koppel des Wolfhofs in Schönaich. Dort hat er seine Württemberger-Stute Cara untergestellt, und dort – mitten im Gras – lag das Stück Papier an einer Kordel, am anderem Ende ein zerfetzter Luftballon. Auf dem Briefchen ist auf Französisch zu lesen, dass Kinder aus der Schule in Reyniès für jeden Soldaten aus dem Dorf, der im Ersten Weltkrieg sein Leben lassen musste, einen Ballon haben steigen lassen. Die Luftpost, die knapp 900 Kilometer Luftlinie überwunden und dann in Schönaich schlapp gemacht hat, erinnert an Auguste Bedel. Der Schüler Aaron hat eine blaue Friedenstaube drauf gemalt.

Der Ballonfinder ist verblüfft über die Sache

„Ich bin fasziniert von dem Ganzen“, sagt Joachim Stahl. Tatsächlich verbinde ihn mit dem Nachbarland viel. „Ich habe als Kind alle Schulferien in der Bretagne verbracht“, sagt er. Dass sich die französischen Kinder im hundertsten Jahr nach dem Ende des Ersten Weltkrieges an die Toten erinnern und sie derart ehren, imponiert ihm, wie er sagt. Ebenso ist er verblüfft, welche Strecke ein einfacher Luftballon offenbar binnen 24 Stunden geflogen ist. „So eine Verbindung ist etwas ganz Besonderes“, sagt er. Deswegen hat er sofort die Schule über die auf der Karte angegebene Mailadresse benachrichtigt, dass die Nachricht angekommen ist.

Die Schüler aus Frankreich Foto: privat

Seither fliegen nicht mehr Ballons, sondern E-Mails zwischen Möhringen und Reyniès. Die Schulleitung hat sich gemeldet, ebenso hat sich der Bürgermeister des Dorfes, Claude Vigouroux, in die Konversation eingeklinkt. Die Schüler, die an diesem Projekt teilgenommen hätten, hätten durch die Rückmeldung eine unerwartete, aber lang ersehnte Belohnung erhalten, schreibt er auf Deutsch. „Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Bürgergeist“, teilt Claude Vigouroux mit. Der Deutsche hat Fotos samt Karte und Pferd geschickt, die Franzosen ein Gruppenbild von Lehrern und Schülern – der Bürgermeister ist auch drauf und trägt eine Schärpe in den französischen Farben. Und Joachim Stahl und seine Frau Brigitte sind im Glück. „Das ist gigantisch!“, jubelt er. „Das muss man sich mal vorstellen, die trommeln alle zusammen und stellen sich auf“, sagt Joachim Stahl.

Eine besondere Zufallsbekanntschaft

Für ihn ist das Ganze mehr als nur ein paar Fotos und eine blaue Karte an einer Kordel mit einem zerfetzten Ballon. Für Joachim Stahl symbolisiert diese Zufallsbekanntschaft eine Völkerverbindung, wie er betont. Die Botschaft anlässlich des Endes des Ersten Weltkrieges ist angekommen. „Das ist doch das, was wir wollen“, sagt er, „das gemeinsame Europa. Zusammen leben“. Die Stahls waren schon Jahre nicht mehr in Frankreich. „Ich will schon lang wieder“, sagt Brigitte Stahl. Sie und ihr Mann schauen sich an. „Wenn wir nach Toulouse fahren, statten wir denen einen Besuch ab.“