Das Fußgängerverhalten in S-West wurde untersucht. Foto: Kathrin Wesely

Mit zunehmendem Alter sind Menschen mehr zu Fuß unterwegs. In einer Stadt, in der Fußgänger lange zu kurz kamen, soll nun ein Fußverkehrskonzept helfen.

Stuttgart - Ab dem 65. Lebensjahr legen Menschen mehr Wege zu Fuß zurück. Das ist eines der Ergebnisse der Studie „Mobil bleiben in Stuttgart“ aus dem Jahr 2016 von Kerstin Conrad, Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung Dortmund, und Susanne Penger, Goethe-Universität Frankfurt am Main. Befragt wurden 211 Menschen über 65 Jahren aus den Stadtteilen Rosenberg und Rotebühl im Westen sowie dem Bezirk Weilimdorf. Conrad und Penger stellten fest, dass mit dem Alter der Anteil der Fußwege zunimmt und die ÖPNV-Nutzung sinkt. Die Auto-Nutzung ihrer Teilnehmer blieb konstant. Die Befragung ergab auch, dass die Probanten in Stuttgart West im Durchschnitt rund 43 Prozent ihrer täglichen Wege zu Fuß und etwa ein Viertel mit dem ÖPNV zurücklegten. Dagegen erledigten die Befragten in Weilimdorf nur etwa 33 Prozent ihrer täglichen Wege zu Fuß und nutzten für rund 15 Prozent den ÖPNV. Durchschnittlich waren die Teilnehmer sechs Tage pro Woche außer Haus unterwegs.

Ältere gehen häufiger zu Fuß

Maren Reyer von der Universität Stuttgart fand in ihrer Studie „Wohnumfeld und körperliche Aktivität in Stuttgart“, heraus, dass Menschen im Alter zwischen 55 und 75 Jahren tägliche Transportwege, wie Einkäufe und Arztbesuche, vermehrt zu Fuß erledigen, wenn die Gehfreundlichkeit hoch ist. Diese misst sich an Dichte und Vernetzung der Fußwege, dem Bestand von Wohnungen, Handel und Arbeit sowie der Geschossflächenzahl der Gebäude im Quartier. Für ihre Studie hat Reyer rund 100 Bewohner aus verschiedenen Stuttgarter Stadtteilen und Bezirken befragt.

Dass die Teilnehmer in Stadtteilen mit niedriger Gehfreundlichkeit trotzdem viele Fußwege vorweisen können, liegt daran, „dass sie oft Spaziergänge zur Erholung unternehmen“, erklärt Reyer. Sie regt dazu an, die Gehfreundlichkeit in diesen Stadtteilen zu erhöhen. Denn wer nicht gerne spazieren gehe, müsse motiviert werden, sich zu bewegen. Conrad ergänzt, dass Mobilität für Menschen in hohem Alter immer wichtiger wird – sowohl für die Gesundheit als auch für die sozialen Kontakte. Deshalb gelte es, gute Einkaufs- und Infrastrukturangebote im direkten Versorgungsumfeld zu schaffen.

Zu heiße Plätze in Stuttgart

Auch auf den öffentlichen Plätzen der Stadt scheint es Nachholbedarf zu geben. Yasaman Ahmadi von der Universität Stuttgart beklagt in ihrem Vortrag „Stuttgarter Plätze im Klimawandel“, dass es auf dem Schlossplatz an manchen Sommertagen schlichtweg zu heiß sei. Windschatten und versiegelte Flächen würden die Hitze verstärken. Doch öffentliche Plätze sind wichtige Orte für unterschiedlichste Aktivitäten im Alltag der Menschen. „Deshalb müssen wir die Plätze unserer Stadt klimasensibler gestalten“, fordert sie. Mit Oberflächen, Begrünung, Wind, Beschattung und Wasserspielen ließe sich schon viel machen.

Wolfgang Forderer vom Referat Strategische Planung und Nachhaltige Mobilität der Stadt Stuttgart weiß, dass es für Fußgänger in der Stadt noch viel zu tun gibt. Auf Basis des Verkehrsentwicklungskonzepts 2030 und dem Aktionsplan „Nachhaltig mobil in Stuttgart“ mit Unterstützung der Planersocietät Dortmund und den Bezirksbeiräten der fünf Innenstadtbezirke wurde nun ein Fußverkehrskonzept entwickelt. Das Ziel: 14 nachfrageorientierte Hauptfußwegeverbindungen und 16 angebotsorientierte Flaniermeilen. „Diese sollen vermehrt zum Zufußgehen einladen“, erklärt Forderer. Zudem sollen bestehende Mängel analysiert werden, bessere Verbindungen, hindernisfreie Wege und attraktive Räume in der Stadt geschaffen werden.