Am Amtsgericht Stuttgart wird jetzt jeder Besucher kontrolliert. Foto: dpa

Die Wohnungsnot in Stuttgart beschäftigt auch das Amtsgericht – in Prozessen, aber auch, was die eigenen Beschäftigten betrifft. Sie finden keine Wohnung.

Stuttgart - Die zunehmende Wohnungsnot und die hohen Mieten in Stuttgart führten dazu, dass in Räumungsprozesse immer erbitterter und durch alle Instanzen gestritten werde, sagt Klaus Hinrichs, Richter am Amtsgericht Stuttgart.

„Früher gab es oft Räumungsvergleiche, bei denen der Vermieter eine sogenannte Umzugshilfe angeboten hat“, so Hinrichs. Ziehe der Mieter aus, bekomme er eine gewissen Geldbetrag. „Solche Vergleiche sind inzwischen immer seltener möglich“, sagt der Richter, weil betroffene Mieter keine adäquate neue Wohnung in Stuttgart fänden.

Die Mietpreisbremse habe sich dabei als „stumpfes Schwert“ erwiesen. Sie habe bei der Rechtsprechung am Amtsgericht Stuttgart keine Rolle gespielt. Soll heißen, wenn ein Mieter erst einmal eine Wohnung ergattert hat, klage er nicht gegen seinen neuen Vermieter. Das werde sich auch künftig nicht ändern, schätzt der Amtsgerichtspräsident Hans-Peter Rumler.

„Wer eine Wohnung hat, klagt nicht“

Sein Gericht hatte die Mietpreisbremse im vergangenen Oktober ausgebremst, was vom Landgericht in zweiter Instanz bestätigt wurde. Die Mietpreisbremse sei aus formalen Gründen unwirksam. Doch auch der neue Entwurf, der beim Land in Arbeit ist, werde die Situation wohl nicht ändern, mutmaßen Rumler und Hinrichs. Das unterfüttert Amtsrichterin Monika Rudolph. „Wir verhandeln schon seit vielen Jahren keine Mietwucherverfahren mehr.“ Juristisch besteht bei einer Miete, die 20 Prozent über den ortsüblichen Werten liegt, eine Mietpreisüberhöhung, bei 50 Prozent und mehr ein Mietwucher. Beides ist verboten, aber: „Wer eine Wohnung hat, klagt nicht“, sagt Richterin Monika Rudolph.

Die Wohnungsnot beschäftigt das Amtsgericht aber auch intern. „Wir haben bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine hohe Fluktuation“, sagt Präsident Rumler. Viele Bedienstete fänden in Stuttgart einfach keine bezahlbare Wohnung.

Also verlassen sie das Amtsgericht Stuttgart und finden wohnortnah eine Anstellung. „Gerichte gibt es schließlich fast überall“, so Rumler. Früher habe es wenigstens die sogenannte Ballungsraumzulage gegeben. Diese finanzielle Hilfe sei aber Geschichte. Das Amtsgericht versucht, mit der Bereitstellung von Telearbeitsplätzen Abhilfe zu schaffen, an denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von zu Hause arbeiten können. Das kompensiere die Abwanderung aber nicht, sagt Präsident Rumler.

Tägliche Sicherheitskontrollen

Nicht wegen erbittert geführter Räumungsprozesse, sondern ganz grundsätzlich hat das Amtsgericht die Sicherheitsvorkehrungen massiv erhöht. „Wir sind zwar vor Angriffen auf Richter, Zeugen oder andere Verfahrensbeteiligte in den vergangenen Jahren verschont geblieben“, sagt Frank Schwörer, Vizepräsident des Amtsgerichts Stuttgart. Es werde aber eine Zunahme der Gewaltbereitschaft wahrgenommen. Deshalb läuft seit Anfang des Jahres ein Pilotprojekt. Am Zugang zu den Sitzungssälen werden jetzt täglich sämtliche Besucher von Gerichtswachtmeistern kontrolliert. Es sei erstaunlich, was da zutage komme, so Schwörer. „Taschenmesser scheinen wieder in Mode gekommen zu sein.“ Man finde auch immer wieder verbotene Spring- oder Einhandmesser sowie Pfeffersprays.