Stuttgart soll als Kongressstadt zu den Branchenbesten der deutschen Städte aufschließen. Foto: dpa

Mit neuer Stabsstelle in die Offensive – Idee von Tagungsräumen im Bahnhof findet Gefallen.

Stuttgart - Die Frau, auf der viele Hoffnungen ruhen, tritt an diesem Montag ihre Arbeit an. Der Auftrag für Karina Grützner lautet etwa so: „Reisen Sie in alle Teile der Welt. Besuchen Sie die Messen zum Tagungs- und Kongressgeschäft. Bringen Sie uns neue Kunden und Veranstaltungen.“

Grützner, bisher bei der Landesmesse im Kongressgeschäft tätig, übernimmt eine Stabsstelle bei der Stuttgart-Marketing GmbH, die aber für die ganze Region Früchte bringen soll. 200 .000 Euro pro Jahr kostet sie. Beim Gros davon handle es sich nicht etwa ums Gehalt, sagt Marketing-Chef Armin Dellnitz. Die Reisekosten und der Sachaufwand überwiegen.

Für die Finanzierung sorgen diverse Beteiligte im neuen Arbeitskreis Kongresswesen, obwohl sie nicht mit ganz schnellem Ertrag rechnen können. Mit drei bis vier Jahren Anlaufzeit müsse man bis zu ersten Auswirkungen schon rechnen, meint Dellnitz, weil Veranstalter frühzeitig planen.

Luft nach oben

Die neue Initiative und ihr Ziel: Der Arbeitskreis ist vor ein paar Monaten in die Gänge gekommen. Vor rund einem Jahr hatte Dellnitz die Beteiligten angeschrieben. Seine Botschaft: Die Nachfrage nach Tagungs- und Kongressräumen ist gut und nicht immer zu befriedigen. Im Kongressgeschäft in Stuttgart und der Region gibt es Luft nach oben. Auf lange Sicht ist noch viel zu bewegen, wenn man bereit ist, mehr Geld und Personal einzusetzen. Das Echo war gut. Vertreter von Firmen wie Flughafen und Landesmesse, von knapp 40 größeren Hotels und von der Landeshauptstadt Stuttgart machen mit.

Die neue Strategie: Bisher habe das Convention Bureau Stuttgart, das Kongressbüro unter dem Dach von Stuttgart-Marketing, auf Anfragen aus dem In- und Ausland reagiert und sie mustergültig beantwortet, sagt Dellnitz. Für aktives Hereinholen von Nachfrage, für das Akquirieren von Veranstaltungen habe man beim besten Willen kein Geld und kein Personal gehabt.

„Hohe Pro-Kopf-Ausgaben“

Mit der neuen Stabsstelle könne man sich jetzt „proaktiv“ um die Erschließung von zusätzlichem Kongressgeschäft kümmern. Den Vorteil davon hätten zu gegebener Zeit nicht nur die zahlreicher gewordenen Hotels mit dem erhöhten Bettenangebot, sondern auch die Lokale, der Flughafen, die Läden und Freizeiteinrichtungen in der Region. Dellnitz: „Da geht es um hohe Pro-Kopf-Ausgaben, um hohe Wertschöpfung.“

Der Chef von Stuttgart-Marketing will auch gar nicht darüber hinwegtäuschen, dass man langfristig mehr brauche als die 200 .000 Euro – „aus welchen Geldtöpfen auch immer“. Die insgesamt 600.000 Euro, die jetzt inklusive der 200.000 Euro für das Kongressbüro zur Verfügung stünden, seien nicht übermäßig viel Geld für den Aufgabenbereich, bis auf Weiteres aber in Ordnung.

Zu gut aufgestellten Städten aufschließen

„Wir sind bei den ersten zwei bis drei Sprossen der Leiter“, sagt Dellnitz. Nun könne man versuchen, zu den Städten aufzuschließen, die schon weiter oben sind und sich bei der Akquise von Tagungen und Kongressen gut aufgestellt hätten. Damit meint er vor allem Frankfurt am Main, Hamburg, Köln und München.

Der neue Raumbedarf: In dem Arbeitskreis ist man sich weitgehend einig darüber, dass man weitere Tagungs- und Kongressräume braucht. Die Flughafen-Chefs Georg Fundel und Walter Schoefer sind auch schon dabei, anstelle der heutigen Flughafenverwaltung ein Kongresshotel anzusiedeln mit direktem Übergang zum Internationalen Congresscenter Stuttgart (ICS) in der Landesmesse.

Messe-Chef Ulrich Kromer ist sich mit den beiden über das Ziel einig. Das Kongresshotel sollte Veranstaltungen für 200 bis 600 Menschen ermöglichen, empfiehlt er. Am unteren Rand dieser Größenordnung liege bisher schon das Mövenpick-Hotel. Darüber, bei etwa 2200 Plätzen, rangiert das ICS. Mit den Messehallen selbst könnte man theoretisch sogar Gruppen zwischen 60 und 10.000 Teilnehmern bedienen. Hier gilt aber noch mehr als beim ICS, dass abgeteilte Bereiche in hohen Hallen nicht gerade der erwünschten Atmosphäre entsprechen. Außerdem vermeldet das ICS eine sehr gut Auslastung.

Teil des heutigen Hauptbahnhofes nutzen

Ebenso, sagt Stuttgarts Erster Bürgermeister Michael Föll, verhalte es sich beim Kultur- und Kongresszentrum Liederhalle (KKL), das 2011 „das beste Jahr aller Zeiten hatte“. Der Wunsch, auf dem Kongresssektor noch besser ins Geschäft zu kommen, stoße an Kapazitätsgrenzen.

Zwei Varianten bieten sich an: Abhilfe verspricht nicht nur der Plan der Flughafen-Chefs, sondern auch der Vorschlag, einen Teil des heutigen Hauptbahnhofs als Tagungs- und Kongresszentrum zu nutzen, wenn 2020 Platz frei wird durch die Inbetriebnahme des neuen Tiefbahnhofs.

Markus Hofherr, Stuttgarter Kreisvorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), hat diese Idee des Le-Meridien-Chefs Bernd Schäfer-Surén Anfang Februar öffentlich gemacht. Marketing-Chef Dellnitz findet sie „klasse“. So ein Angebot im Herzen der Stadt habe „Ambiente“. Sie wäre auch ein schönes Zeichen dafür, dass die Landeshauptstadt ein Geschäftsfeld ausbaue, das gut zu ihrem Image, zur Wirtschaftsstruktur und zur Übernachtungsbilanz mit 70 Prozent Geschäftsreisenden passe.

„Wir sind hier federführend, nicht das Land“

„Diese Idee ist reizvoll“, findet auch Föll. Zunächst sei allerdings zu klären, ob sie bei der Bahn, aber auch bei den Stadträten auf Akzeptanz stoße und baulich umsetzbar ist. Bisher gebe es keinerlei Machbarkeitsstudie. Ein Kongresszentrum im Bahnhof und ein Kongresshotel am Flughafen müssten sich nicht von vornherein ausschließen. Im Zweifel hat für ihn aber die Lösung im Bahnhof Vorrang.

Gerangel um die Zuständigkeiten: Der Grundsatz, dass „die Stadt die übergeordneten Interessen definiert und sich die Beteiligungsunternehmen einfügen“, gelte weiterhin, sagt Föll an die Adresse der Flughafen-Chefs. Dass das Land sowohl bei der Messegesellschaft wie auch beim Flughafen Gesellschafter ist und am Flughafen sogar stärker beteiligt ist als die Landeshauptstadt, irritiert Föll nicht. Der Erste Bürgermeister: „Wir sind hier federführend, nicht das Land.“