Zugewuchert: Lieblose Außendarstellung vor dem Bibliorama in der Büchsenstraße 37 Foto: Martin Haar

2,9 Millionen Euro hat das Bibelmuseum gekostet. Damit ist es eines der besten in Deutschland. Aber kaum einer kennt es. Stuttgarts Marketing-Chef Armin Dellnitz sieht im Bibelmuseum Museum Potenzial, das man leicht heben kann.

Stuttgart - Stuttgart hat ein attraktives Bibelmuseum mit einem zeitgemäß-digitalen Konzept, aber kaum einer weiß es. Und kaum einer findet es auf Anhieb. Das mag auch daran liegen, dass sich das evangelische Prestige-Objekt fast versteckt. Zumindest der Schriftzug „Bibliorama – das Bibelmuseum“ verbirgt sich hinter dichtem Gestrüpp. Sonst weist nichts darauf hin, dass sich in der Büchsenstraße 37 im Haus des CVJM ein 2,9 Millionen-Euro-Projekt der Landeskirche befindet.

Der Museumsleiterin Franziska Stocker-Schwarz ist das ein wenig peinlich. Auch ihre Erklärung klingt zunächst wenig rühmlich. Denn das Museum wurde bereits im März 2015 eröffnet: „Es ist alles noch nicht ganz fertig. Aber an die Fassade kommt noch eine Außenwerbung dran.“ Tatsächlich finden viele potenzielle Besucher das Museum nicht. Auch weil die von der Stadt versprochenen Wegweiser noch fehlen. Nun soll alles besser werden. Erst jetzt können sich Franziska Stocker-Schwarz und ihre beiden Kolleginnen um solche Dinge kümmern. „Unser Problem war, dass wir vor dem Kirchentag schnell eröffnen mussten, obwohl vieles noch nicht fertig war.“

Bisher kommen hauptsächlich Jugendliche

Daher ist die Pfarrerin mit ihrer ersten Jahresbilanz nicht unzufrieden. Man sei dem Anspruch und dem Konzept des Bibelmuseums gerecht geworden: „Unsere Zielgruppe sind in erster Linie Jugendliche, die mit ihrer Schulklasse oder als Konfirmandengruppe zu uns kommen.“ Gleichwohl will sie auch die Menschen anlocken, „die sich aus kulturellen Gründen für die Bibel interessieren“. Bisher zählt Franziska Stocker-Schwarz im Monat durchschnittlich 1100 Besucher. Zwei Drittel davon sind Jugendgruppen, ein Drittel Einzelbesucher. Beim Metzger würde man sagen: Es darf ein bissle mehr sein. Während die Kirchenleitung von knapp 1700 Besuchern im Monatsschnitt träumt, ist Franziska Stocker-Schwarz etwas zurückhaltender: „Wir wollen uns auf 1500 Besucher pro Monat steigern; aber dazu brauchen wir auch Leute, die Führungen übernehmen können.“ Bisher arbeiten 30 Ehrenamtliche als Museumsführer im Bibelmuseum.

Es sollte also auf allen Ebenen etwas geschehen. Denn für die evangelische Landeskirche hat das Museum übergeordnete Bedeutung. „Es soll zwei Megatrends entgegenwirken“, wie der Kirchenrat Frank Zeeb sagt. Erstens dem so genannten „Traditionsabbruch“. Denn die noch vor kurzer Zeit gesellschaftlich allgemeine Kenntnis der wichtigsten biblischen Texte und Geschichten ist nicht mehr vorhanden. Zweitens soll aus Kirchensicht den Besuchern ein Angebot zur Identitätsfindung gemacht werden. Zeeb: „Wir sind überzeugt, dass die Bibel und ihre Texte unendlich viele Möglichkeiten bieten, das eigene Leben zu interpretieren und zu einer gelingenden Gestaltung einzuladen.“

Aber hier klaffen Anspruch und Umsetzung auseinander. Es mag daran liegen, dass Pfarrer gleichzeitig Theologen, Marketing-Experten und Öffentlichkeitsarbeiter sein sollen. Das hat jetzt auch der Marketing- und Tourismus-Profi Armin Dellnitz entdeckt. Der Geschäftsführer der Stuttgart Marketing sieht Potenzial im Bibelmuseum, „das man ohne viel Aufwand heben kann“. Freilich weiß er, dass nur wenige Stuttgart-Touristen eigens wegen des Bibelmuseums eine lange Reise auf sich nehmen. Allerdings könnte es ein weiterer Anreiz sein, wenn man das Museum in ein Gesamtkonzept integriert. Dellnitz will nun die Zielgruppe des Bibelmuseums unter die Lupe nehmen und nach Überschneidungen mit anderen Zielgruppen schauen. Bereits jetzt sei das Bibelmuseum ein Bestandteil der „Stuttcard“. Diese Erlebniskarte bietet den Touristen freie Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln und weitere Vergünstigungen – wie etwa Museumsbesuche. „Aber da kann man sicherlich noch ein bisschen mehr machen“, sagt Dellnitz, den das Konzept des Bibelmuseums überzeugt hat. Denn im Gegensatz zu manch anderem Museum in der Stadt setzt das „Bibliorama“ auf „Partizipation“, wie es Franziska Stocker-Schwarz nennt. Man könnte auch sagen: Wer sich auf das Museum einlässt, ist nicht nur mittendrin, sondern voll dabei. „Ich verändere durch die Interaktion und meinen Besuch das Museum“, erklärt Franziska Stocker-Schwarz.

Museumserlebnis für alle Sinne

Welche Wirkung der Rundgang durch die 350 Quadratmeter der Dauerausstellung und die 150 Quadratmeter der Wechselausstellungen vor allem auf die jungen Besucher hat, hat Franziska Stocker-Schwarz protokolliert: „Mensch, ich habe mich wie David gefühlt“ – oder „Es war so spannend, virtuell übers Heilige Land zu fliegen.“ Für die Museumsleiterin steckt in diesen Sätzen der Lohn für ihre Arbeit: „Ich will ein Museumserlebnis mit allen Sinnen und für den ganzen Körper bieten.“