Fabian Wendt probt mit der Singer-Songwriterin Marie Louise in seinem Proberaum eines Gebäudes an der Ulmer Straße – das zum Jahresende abgerissen wird. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

In Stuttgart fehlen Proberäume. Nun soll der genaue Bedarf ermittelt werden, zudem soll der Ausbau von Proberäumen durch Privatpersonen gefördert werden – sowie auch die Musiker durch einen Mietzuschuss.

Sein Proberaum ist kein unterirdischer versiffter Raum in bester Rock-Star-Manier, wie man ihn sich gerne vorstellt. Denn ein Raum genügt nicht seinen Bedürfnissen und Ansprüchen. Fabian Wendt ist studierter Bassist und Komponist. „Ich brauche nicht nur einen Raum zum Proben, sondern diese Fläche muss mir auch als Arbeitsraum dienen, etwa zum Komponieren“, sagt Wendt. Deshalb ist er sehr glücklich über seinen derzeitigen Proberaum an der Ulmer Straße in Wangen, da er nicht im Keller liegt, sondern Fenster hat und somit Tageslicht bietet.

Doch nun soll zum Jahresende das Gebäude abgerissen werden. Die Musiker aller 22 Proberäume, die über zwei Stockwerke verteilt sind, müssen raus. „Die Räume werden aber natürlich von sehr viel mehr Musikern genutzt, weil sie untervermietet werden – ich schätze, dass über 100 Leute vom Abriss betroffen sein werden“, sagt Wendt. Sie alle sind nun auf der Suche nach Ersatz. Auch Wendt hat schon vor geraumer Zeit damit begonnen, sich nach einem geeigneten Raum umzuschauen – gefunden hat er allerdings weder einen geeigneten Raum, noch einen, der seinen Bedürfnissen gerecht wird. „In Stuttgart fehlen ganz generell Proberäume“, so sein Fazit.

In Stuttgart fehlen Proberäume

Das bestätigt Walter Ercolino, der Leiter des Popbüros in Stuttgart. Bereits vor ein paar Jahren habe die Schließung eines Gebäudes mit Proberäumen in Weilimdorf für Musiker eine Welle an Nachfragen ausgelöst, und der Abriss des Gebäudes an der Ulmer Straße reiße nun erneut ein riesiges Loch in die sowieso ausgedünnte Proberaumlandschaft. Genaue Zahlen zum Mangel liegen allerdings nicht vor, weshalb die Stadt zusammen mit dem Popbüro die Vergabe einer Studie zu Bestand und Bedarf an Proberäumen in Stuttgart plant.

„Gefühlt ist dieser riesig“, sagt Ercolino. Auf Basis von belastbaren Zahlen könnten dann aber passgenaue Maßnahmen entwickelt werden. Da es sich ziehen kann, bis ein passender Anbieter recherchiert ist, die Gelder für die Studie bewilligt werden und diese durchgeführt ist, braucht es darüber hinaus dringend auch kurz- und mittelfristige Maßnahmen. Zumal die geplanten Proberäume im Diakonissenbunker in Stuttgart-West, für welche der Gemeinderat auf Antrag der Grünen hin 800 000 Euro im Doppelhaushalt 22/23 reserviert hat, ebenfalls frühestens in zwei Jahren fertig werden.

Privatraum könnte zum Proberaum umgenutzt werden

Also soll die Stadt prüfen, inwiefern sie den Ausbau von Proberäumen durch Privatpersonen und in städtischen Liegenschaften fördern kann, so will es ein Antrag der Grünen. „Wir denken dabei etwa an Büroräume oder andere gewerbliche Räume sowie Leerstände“, sagt Grünen-Stadtrat Marcel Roth. Ercolino kann sich etwa auch vorstellen, dass ein Raum morgens als Start-up-Office genutzt werden könnte – und ab 14 Uhr als Proberaum dient. „Solche Lösungen wären ideal für uns Musiker“, sagt Wendt.

Doch nicht nur der Vermieter, sondern auch der Musiker soll künftig finanziell unterstützt werden, wenn es nach den Grünen geht. So soll es eine Förderung von Proberäumen in Stuttgart durch Mietzuschüsse in Anlehnung an die „Atelierförderung für Künstlerinnen und Künstler“ geben. Denn wie die Mieten in Stuttgart generell hoch sind, sind das auch die für Proberäume – besonders junge Amateurbands können sie sich nicht leisten.

Es braucht eine politische Lösung

In der Sitzung des Ausschusses für Kultur und Medien vom 11. Oktober nahm die Kulturverwaltung nun dazu Stellung: Man halte beide Arten der Förderung für sinnvoll und umsetzbar. Gelder dafür könnten allerdings erst zum Doppelhaushalt 2024/2025 vom Gemeinderat bewilligt werden. Eine lange Zeit für Musiker, die ohne Proberaum dastehen. Stadtrat Roth sieht die Gefahr, dass Künstler in Stuttgart nicht ihr volles Potenzial entwickeln können – und sich deswegen von der Stadt abwenden. Auch Ercolino fürchtet um die Attraktivität von Stuttgart, aber auch darum, Nachwuchskarrieren und Existenzen zu gefährden. „Ein Berufsmusiker ohne Proberaum, das geht nicht. Da braucht es eine politische Lösung.“

Neue Fläche?

Wendt ist noch immer auf der Suche nach einem neuen Proberaum. Martin Rieger, der eine Immobilienfirma leitet, ist für den Besitzer des Gebäudes an der Ulmer Straße tätig. Er betont, dass es diesem ein großes Anliegen ist, dass die Musiker neue Flächen finden – und dass er diesbezüglich auch alle Hebel in Bewegung setze. Es gebe eventuell eine weitere Immobilie in dessen Besitz, die sich dafür eigne. Allerdings sei diese noch nicht bezugsfähig. „Aber ansonsten könnten Musiker, die immer anständig waren und brav ihre Miete bezahlen, eventuell dort unterkommen“, sagt Rieger – der auch an andere Immobilienbesitzer appelliert, sich Gedanken zu machen, ob sie nicht Proberäume schaffen könnten.