Die Landeskirche lässt die Segnung homosexueller Paare derzeit nicht zu. Lediglich im Rahmen seiner „seelsorgerischen Begleitung“ kann ein Pfarrer einen Segen aussprechen. Foto: dpa

Die evangelische Thomasgemeinde in Stuttgart-Kaltental und Stuttgart-Dachswald will ein Zeichen setzen. Schwule und lesbische Paare sollen bei ihr den kirchlichen Segen bekommen. Darum geht es am 11. Oktober bei einem Informationsabend.

Kaltental/Dachswald - Seit acht Jahren sind Michael und Thomas Schmid ein Paar. Im Nachtbus sind sich die beiden das erste Mal begegnet. Erst vier Jahre später, als sie sich auf dem Volksfest zufällig wiedertreffen, wird aus der flüchtigen Bekanntschaft Liebe. In ihrem näheren Umfeld wissen die Menschen von ihrer Homosexualität, hausieren gehen die beiden Männer damit aber nicht. Das ist auch der Grund, weshalb sie nicht mit richtigem Namen in der Zeitung erscheinen möchten.

Im Dezember 2013 haben sich die beiden offiziell verpartnert, die kirchliche Segnung folgte im Mai 2015. „Unsere richtige Hochzeit, das war die Segnung“, sagt Thomas Schmid, und Michael nickt. Vor den Altar zu treten, war den Männern sehr wichtig, „nicht, weil wir besonders romantisch sind, sondern weil wir eine Segnung unserer Beziehung wollten. Wir sind beide gläubige Menschen.“ Sie lesen viel in der Bibel, gehen jeden Sonntag in die Kirche und engagieren sich in ihrer Gemeinde. Das Christsein ist ein fester Bestandteil in ihrem Leben – weit mehr als bei manchen heterosexuellen Paaren, die sich mit großem Tamtam kirchlich trauen lassen.

Es ging nur nicht-offiziell

Und dennoch musste die kirchliche Segnung von Thomas und Michael Schmid in einem nicht-offiziellen Rahmen stattfinden. Denn die württembergische Landeskirche lässt die Segnung homosexueller Paare nicht zu. Lediglich im Rahmen seiner „seelsorgerischen Begleitung“ kann ein Pfarrer einen Segen aussprechen. Mirja Küenzlen, die Pfarrerin der Thomaskirche, war dazu bereit – wenn auch nur heimlich. Zum Beispiel durften die Kirchenglocken nicht wie bei Hochzeiten läuten. Zufällig, wie Küenzlen mit einem Augenzwinkern verrät, sei die Segnung dann auf 15 Uhr gelegt worden – dann läuten die Glocken ohnehin.

Sie hat die Segnung gerne gemacht, „denn es war deutlich, dass es den beiden ein ganz tiefes Anliegen war“, sagt sie. Ihr Auftrag als Pfarrerin sei es, Menschen bei ihrem Lebensweg zu begleiten und sie an wichtigen Punkten in ihrem Leben spüren zu lassen, dass Gottes Liebe sie umgibt. Homosexuelle Paare auszuschließen, sei eine Diskriminierung, die nicht der Liebe Gottes entspreche.

Der Kirchengemeinderat war hellauf empört

Der Kirchengemeinderat (KGR) hat das Thema aufgegriffen, als es durch die jüngst beschlossene „Ehe für alle“ in die öffentliche Diskussion rückte. Das Gremium sei „hellauf empört gewesen“, als es von Mirja Küenzlen erfuhr, dass die württembergische Landeskirche bundesweit als eine der letzten die offizielle Segnung ausschließt.

„Deshalb möchte der Kirchengemeinderat ein Zeichen setzen für eine Willkommenskultur“, sagt die Theologin. Das Gremium wolle diesen Weg zusammen mit der Gemeinde gehen und sich auch kritischen Fragen stellen. Daher lädt der KGR am 11. Oktober zu einem Informations- und Diskussionsabend in die Thomaskirche ein. Dann soll „theologisch fundiert“, wie Küenzlen es nennt, geschaut werden, wie in der Bibel das Thema Homosexualität behandelt wird. Es gebe zwar abwertende Äußerungen, allerdings sei dabei eher „lasterhafte Unzucht“ gemeint und nicht eine verantwortungsvolle Beziehung. „Man muss sich die Stellen genau angucken“, sagt die Pfarrerin. Schließlich gebe es auch frauenfeindliche Äußerungen in der Bibel, „und auch das sehen wir aus guten Gründen heute anders“.

Was ist Gottes Wille?

Wenn die Gemeinde einverstanden ist, möchte sich der KGR der Initiative Regenbogen anschließen, „um zu zeigen, dass wir wünschen, dass etwas vorangeht“, sagt Küenzlen. Die Initiative hat sich 2016 aus dem Bündnis Kirche und Homosexualität (BKH) heraus gegründet. Ihr gehören aktuell 27 württembergische Kirchengemeinden an, die lesbische und schwule Gemeindemitglieder explizit willkommen heißen und offen sind für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. Ebenso setzt sie sich für homosexuelle Pfarrerinnen und Pfarrer ein, die mit ihrer Partnerin oder ihrem Partner im Pfarrhaus leben wollen. „Auch hier finden viele Verletzungen statt“, sagt Küenzlen, und betont: „Offensichtlich hat Gott gewollt, dass es das so gibt. Es gehört zur Vielfalt dazu. Wir müssen mutiger sagen: Das ist Gottes Wille.“ Entscheidend sei nicht das Geschlecht von Liebenden, sondern dass sie verantwortlich und respektvoll miteinander seien.

Thomas und Michael Schmid begrüßen die Initiative Regenbogen, weil es homosexuellen Gläubigen Mut mache, sich einer Gemeinde anzuschließen. „Viele glauben, dass es sich ausschließt, homosexuell und gläubig zu sein“, sagt Michael Schmid. In der Thomaskirche hätten sie immer das Gefühl gehabt, akzeptiert zu sein. Viele Kirchgänger seien freundlich auf sie zugegangen. Andere hätten weniger den Kontakt gesucht, „aber das ist ja auch eine Typfrage“. Die Schmids wünschen sich, dass die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare künftig nicht mehr heimlich geschehen muss. „Ich bin nicht besonders, und ich möchte keine besonderen Rechte. Ich möchte nur die gleichen Rechte wie Heterosexuelle haben und bin auch bereit, die gleichen Pflichten zu erfüllen“, sagt Stefan Schmid. Vielleicht wird dieser Wunsch ein Stückchen greifbarer, wenn die württembergische Landessynode im November darüber berät, ob eine kirchliche Segnungsfeier künftig für gleichgeschlechtliche Paare möglich ist.

Unter dem Titel „Gleichgeschlechtliche Paare in unserer Kirche willkommen?“ lädt der Kirchengemeinderat am Mittwoch, 11. Oktober, in den Bonhoeffer-Saal der Thomaskirche, Schwarzwaldstraße 7, ein. Beginn ist um 19.30 Uhr.