Beim Auftritt des Shir Chazanut Ensemble 2016 in der Synagoge herrschte Gedränge, das darf 2020 nicht so sein. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

75 Jahre Befreiung, 75 Jahre Wiedergründung der Gemeinde: Die Jüdischen Kulturwochen in Stuttgart haben dieses Jahr zwei Jubiläen als Motto – und strenge Hygienevorschriften bei 31 Veranstaltungen.

Stuttgart - Sie sind seit 17 Jahren eine feste Einrichtung im Kulturleben der Stadt und sie finden auch in diesem Herbst statt: Die Jüdischen Kulturwochen. Trotz Corona. „Unsere Gemeinde ist bisher dank der streng eingehaltenen Hygienevorschriften gut durch die Krise gekommen, und wir wollen das Gemeindeleben aufrechterhalten“, sagt Barbara Traub, die Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW). Dazu gehörten auch die Kulturwochen, die unter dem Motto „Teil der Geschichte – Teil der Gegenwart“ vom 2. bis zum 15. November ein vielfältiges Programm mit 31 Veranstaltungen zu Geschichte, Literatur, Musik, Theater, Religion, Film und Theater bieten.

Die Pandemie bedroht Juden über das Virus hinaus

Zwei bedeutende Daten geben den thematischen Rahmen vor: Vor 75 Jahren endete das NS-Terrorregime. Und noch im gleichen Jahr wurde in Stuttgart wieder eine jüdische Gemeinde gegründet. Nach der Shoah sei diese Tatkraft, mit der die damalige Generation dem Judentum wieder einen festen Platz in der Stadtgesellschaft verschaffen wollte, bis heute Vorbild und Ansporn. Umso mehr, als die Pandemie Juden auch in Deutschland über das Virus hinaus bedroht: Sie werden in Verschwörungserzählungen zum Sündenbock gemacht. „Stehen die alten Gespenster wieder auf?“, fragt der Historiker Michael Wolffsohn bei der Eröffnungsveranstaltung am 2. November um 19 Uhr im Haus der Wirtschaft in seinem zugeschalteten Vortrag. Diese Eröffnung, bei der nur 30 Teilnehmer zugelassen sind, wird per Live-Stream übertragen. Genau wie das historische Symposium, bei dem am 12. November (Haus der Geschichte, 14.30 Uhr) unter anderem Rabbiner Joel Berger und der Leiter des Stadtarchivs, Roland Müller, zum Wiedererstehen jüdischen Lebens nach 1945 diskutieren.

Stadtspaziergänge zu Zeugnissen jüdischen Lebens

Durch das Fernsehen einer großen Öffentlichkeit bekannt ist die Medizinerin Yael Adler, die im Diskurs mit dem Medizinhistoriker Robert Jütte im Hospitalhof über Judentum, Haut und Gesundheit spricht (15. November, 17 Uhr). „Die Wahrheit ist“ heißt das neue Buch des israelischen Schriftstellers Eshkol Nevo, der den Roman am 11. November um 19.30 Uhr im Literaturhaus vorstellt. Zu einer Ausstellung über den Dichter Paul Celan im Haus der Heimat (Schlossstraße 92) spricht Jürgen Nelles dort über den Briefwechsel von Celan mit Ilana Shmueli (10. November, 18 Uhr).

Klezmermusik, ein Synagogenkonzert, ein Film über Ephraim Kishon, ein Vortrag über den Justizmord an Joseph Süß Oppenheimer und jüdische Witze und Lieder mit Ernst Konarek gehören ebenso zum Programm wie Synagogenführung und Stadtspaziergänge zu Zeugnissen jüdischen Lebens.

Im Zeichen von Corona ist für jede Veranstaltung eine Anmeldung nötig, Abendkassen gibt es nicht. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt, Maske ist Pflicht, eine Selbstauskunft wird mit den Eintrittskarten verschickt und sollte ausgefüllt mitgebracht werden. Das Programm liegt an den bekannten Stellen wie Rathaus und Treffpunkt Rotebühlplatz aus.

Anmeldung telefonisch über 0711/505 40 50, per Fax 0711/505 40 49 oder per E-Mail kulturwochen@irgw.de