Die Königstraße lockt viele Kunden an. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Über die Attraktivität Stuttgarts als Einkaufsstadt wird heftig gestritten. Jetzt versucht ein Beitrag in den Statistischen Monatsheften der Stadt Stuttgart aus Daten ein realistisches Bild zu machen – mit durchaus überraschenden Ergebnissen.

Stuttgart - Ist Stuttgart ein attraktiver Einzelhandelsstandort, oder verliert die City immer mehr Kunden an Einkaufszentren im Umland und ans Internet? Auf diese Frage gibt die vor Kurzem vorgestellte Analyse der IHK Region Stuttgart eine zwiespältige Antwort: Betrachtet man die am Kaufkraftzufluss orientierte Attraktivität, schneidet Stuttgart im Vergleich zu anderen Städten in der Region wie Backnang, Sindelfingen und Ludwigsburg eher schlecht ab, im nationalen Vergleich der Großstädte liegt sie aber auf Rang zwei hinter Nürnberg und vor Hannover. Wie ist das zu erklären? Im neuen Monatsheft des Statistischen Amts der Stadt unternimmt der Experte Werner Münzenmaier einen 26-seitigen Erklärungsversuch.

Dabei untersucht der frühere Referent des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg den Zusammenhang von einzelhandelstypischen Daten aus dem Jahr 2017, die größtenteils auch in der Analyse der IHK verwendet werden, mit weiteren Angaben zum Pendlerverhalten und zum verfügbaren Einkommen. Da es zwischen den aktuellen und den vor einem Jahr erzielten IHK-Ergebnissen keine gravierenden Unterschiede gibt, können Münzenmaiers Aussagen durchaus als aktuell betrachtet werden.

Stuttgart im Spitzentrio

Im Ranking der attraktiven Einzelhandelsstandorte unter 15 deutschen Großstädten liegen Hannover und Nürnberg seit Jahren im Spitzentrio. Dort wird in den Geschäften deutlich mehr umgesetzt, als örtliche Kaufkraft vorhanden ist. Das erklärt Münzenmaier damit, dass im Speckgürtel außerhalb der beiden Städte viele gut verdienende Beschäftigte wohnen, die aber überdurchschnittlich oft, nicht zuletzt als Pendler, in der Großstadt einkaufen.

Rahmenbedingung „merklich ungünstiger“

Der hohe Anteil an Pendlern spielt auch für die bundesweit gute Platzierung Stuttgarts – aktuell auf Rang zwei, 2017 auf Platz drei – eine Rolle, meint Münzenmaier. Hinzu kämen die guten Verdienstmöglichkeiten. Unterm Strich freilich konstatiert der Experte, dass in der Region Stuttgart – anders als in vergleichbaren Großstädten – ein weitaus geringeres Einkommensgefälle zwischen der Kernstadt und dem Umland herrscht. „Die potenziellen Kunden für den Einzelhandel in Stuttgart mit Wohnsitz im unmittelbaren Umland sind also im Prinzip genauso kaufkräftig wie diejenigen in Stuttgart selbst, während der Einzelhandel in Nürnberg oder Hannover mit deutlich höherem Kaufkraftzufluss rechnen kann“, so Münzenmaier. Die sozioökonomischen Rahmenbedingungen seien in Stuttgart „merklich ungünstiger“ als in anderen Großstädten, die in der Attraktivitäts-Spitzengruppe liegen. „Stuttgart kann also in weit geringerem Maße von der Kaufkraft in seinem Umland profitieren“, so Münzenmaier. Wenn man dann noch berücksichtige, dass Stuttgart in stärkerer Konkurrenz zu bedeutenden Einkaufsstandorten im Umland stehe als die eher auf die Kernstadt ausgerichteten Regionen Hannover und Nürnberg und zudem im Outletcenter Metzingen weitere Konkurrenz gerade für Touristen besteht, dann folgert Münzenmaier daraus: „Das alles spricht für einen aus sich heraus starken Einzelhandel in Stuttgart.“

Die Landeshauptstadt habe im nationalen Vergleich eine „herausragende Position“, was umso bemerkenswerter sei, weil „die baden-württembergische Landeshauptstadt aus dem regionalen Umfeld keine so starken Impulse erfahren kann wie vor allem Nürnberg und Hannover“, so Münzenmaier. Und wie sieht es mit anderen Großstädten aus? Frankfurt am Main und Köln profitierten wenig aus dem Umland, weil es fort ebenfalls attraktive Einkaufsstädte gibt. Düsseldorf und München wiederum schlagen Kapital daraus, dass sie unter Touristen als attraktive Einkaufsstädte gelten.