Michi Beck von den Fantas bleibt daheim und spricht zu seinen Fans vor Klopapier. Michi Beck von den Fantas bleibt daheim und spricht zu seinen Fans vor Klopapier. Foto: Screenshot

Dass in der Fastenzeit so heftig verzichtet wird, war nicht abzusehen. „Jede Krise bietet Chancen“, sagt Künstler Tim Bengel. Pfleger erhalten 100-Euro-Geschenke, die Fantas melden sich von daheim. Michi Beck zeigt sich vor Klopapier.

Stuttgart - Abendliches Klatschen aus den Fenstern als Dank an Pfleger ist schön, findet Stephan Hewel, Chef einer Logistik- und Speditionsfirma, aber das schlecht bezahlte Personal in den Krankenhäusern brauche etwas Wichtiges auch noch sehr: mehr Geld!

Also hat der Unternehmer damit begonnen, Spenden zu sammeln. Sein Aufruf in der Babbelrunde, wie ein exklusiver Männerclub mit 210 Führungskräften aus allen Teilen Baden-Württembergs recht locker heißt, ist auf eine riesige Resonanz gestoßen. „Unsere Mitglieder spenden 100 bis 500 Euro“, sagt Hewel. Bis Dienstag dürften 20 000 Euro zusammen sein. Der Erlös wird in Briefumschläge gesteckt, jeweils ein Hunderterschein kommt da rein. Das Geld geht an verschiedene Krankenhäuser in Stuttgart und Esslingen – gedacht für Menschen, die alles geben, um an Corona erkrankte Patienten zu retten.

„Wie wenn man Bonbons im Papierle lutscht“

Die Solidarität ist groß, wie sich quer durch die Stadt zeigt. Es ist Frühling, doch Frühlingsgefühle mögen nicht so recht aufkommen. Und es ist Fastenzeit. So heftig gefastet worden ist noch nie – die meisten tun es nicht in allen Bereichen freiwillig. „Es gibt das Vergnügungsfasten, das Sozialfasten, das Begegnungsfasten“, bemerkt Konzertveranstalterin Michaela Russ , „vieles, was unser alltägliches Leben ausmacht, ist jetzt leider nicht möglich, ohne Konsequenzen bedenken zu müssen.“

Kulturfreunde suchen Ersatz im Netz, wo unermüdlich gestreamt wird. „Vieles davon ist unterhaltsam und vertreibt die Zeit, aber auf Dauer wird es doch ein wenig fad,“, sagt Michaela Russ. Das sei so, wie wenn man „Bonbons im Papierle lutscht“. Sie freut sich über Solidarität und aufmunternde Mails ihrer Kunden, die nun auf neue Termine warten. Doch wer kann schon sagen, wann der ständig steigende Hunger auf Live-Erlebnisse nach dem langen Kulturfasten gestillt werden kann?

Fanta-Manager ist nach Corona-Erkrankung am Montag „frei“

Von daheim haben sich jetzt die Fantastischen Vier gemeldet, getrennt von einander gefilmt. Hinter Michi Beck ist eine Klopapierrolle zu sehen. „Sobald das Virus Platz macht, sind wir da“, lautet die Botschaft der Band. Ende Mai sollte die große Stadiontour zum 30-jährigen Bestehen starten. Haut das hin? Zweimal wollen die Fantas im Juli Heimspiele in der Mercedes-Benz-Arena geben. Noch ist die Hoffnung groß, dass es klappt. Ganz Stuttgart drückt die Daumen!

„Bis jetzt fahren wir noch auf Sicht“, sagt Fanta-Manager Andreas „Bär“ Läsker, der mit seiner Frau Gabi Läsker an Corona erkrankt ist und das Schlimmste nun zum Glück überstanden hat. „Ab Montag bin ich wieder frei“, berichtet Bär.

Rammstein haben für ihre seit Monaten ausverkauften Konzerte das VfB-Stadion am 2. und 3. Juni gebucht. Noch gibt es keine offizielle Absage des Managements. Die österreichische „Kleine Zeitung“ hat nun berichtet, dass für die Auftaktshow in Klagenfurt (für den 25. Mai geplant) bereits nach einem Ersatztermin gesucht wird. Droht auch Stuttgart die Verlegung?

Mink kocht Gemüseeintopf für Praxen und Krankenhäuser

„In Zeiten wie diesen müssen wir zusammenhalten“, findet Jörg Mink, der Wirt im Schloss Solitude. Den „bewundernswerten Menschen, die jetzt noch Tag für Tag zur Arbeit gehen“, wollte er etwas Gutes tun. 150 Liter Eintopf hat er am Donnerstag für Polizeiwachen, Altersheime, Krankenhäuser und Beschäftigte von Supermärkten gekocht - innerhalb von kurzer Zeit war alles weg. Unter anderem ging sein Essen an das Krankenhaus in Leonberg und an Arztpraxen. Weil die Aktion so gut angekommen ist, will er sie am kommenden Dienstag wiederholen. Von 13 Uhr an kann man sich das Essen bei ihm abholen. Solange der Vorrat reicht.

„Die Corona-Krise zeigt, wie gefährlich Fleischkonsum ist“

„Jede Krise bietet Chancen“, sagt der Künstler Tim Bengel . Das Fest in der Staatsgalerie zur Premiere seiner veganen Sneaker musste er absagen. Ebenso wird nix aus seiner ersten Metall-Skulptur im öffentlichen Raum, die er mit Unterstützung von Bernd Kussmaul, der die Medaillen für die Turn-WM 2019 in Stuttgart angefertigt hat, auf dem Online-Marketing-Rockstars-Festival (OMR) Mitte Mai vor 60 000 Menschen in Hamburg präsentieren wollte. Das fällt aus. Bengel bleibt daheim – in seinem renovierten Atelier. Dort geht’s „back to the basics“, sagt er: „Ich möchte meine Gold- und Sand-Werke auf das nächste Level und Farbe ins Spiel bringen.“

Die Corona-Krise, findet der „Goldjunge“ der Kunstszene, führe vor, wie gefährlich Fleischkonsum sein könne. „Das Virus kommt von Fledermäusen und ging in einem Wildtiermarkt entweder direkt oder über ein Überträgertier auf den Menschen über“, erklärt er und kommt zum folgenden Schluss: „Wenn die Welt vegan wäre, wir die Tiere in Ruhe lassen würden, wäre das Virus, das alles bei uns lahmlegt, wahrscheinlich nicht auf den Menschen übergegangen sein.“ Nicht verstehen will er, wie Menschen mit „anderen fühlenden Wesen umgehen“.

Wird es künftig mehr Vegetarier und Veganer geben? Die Fastenzeit dürfte diesmal länger gehen als bis Ostern. Und viele freuen sich darauf, wenn sie wieder Bonbons ohne Papierle lutschen können.