Künftig sollen auch Ausländer aus Nicht-EU-Ländern bei der Kommunalwahl zur Urne gehen. Foto: dpa

Grün-rote Pläne für Kommunalwahl: Allein in Stuttgart gäbe es 74.000 Wahlberechtigte mehr.

Stuttgart - In den Wahllokalen sollen mehr Menschen abstimmen dürfen. Wenn es nach den künftigen Regierungspartnern in Baden-Württemberg geht, könnten allein in Stuttgart rund 74.000 Menschen zusätzlich an der Kommunalwahl teilhaben. Doch noch gibt es hohe Hürden.

Wer die Wahl hat, fühlt sich aufgewertet und bekennt sich eher zu seiner Kommune oder dem Gemeinwesen insgesamt. Unter diesem Leitgedanken gibt es seit langem Bestrebungen, mehr Menschen die Teilhabe an politischen Weichenstellungen zu ermöglichen. Jetzt bekommen sie Auftrieb. Denn die künftigen Regierungspartner wollen für die Kommunalwahlen nicht nur das Mindestalter von 18 auf 16 Jahre herabsetzen, sondern künftig auch einen weiteren Bevölkerungskreis zu den Wahlurnen zu rufen: all jene, die weder den deutschen Pass noch den Pass eines EU-Staats haben, sondern die Staatsangehörige von nicht zur EU zählenden Staaten sind und schon eine gewisse Zeit hier im Land wohnen.

In Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein dürfen die 16- und 17-Jährigen bereits Stadt- und Gemeinderäte wählen, sich allerdings noch nicht wählen lassen. Die Grünen und die SPD möchten das nun auch in Baden-Württemberg einführen. In Stuttgart hätte das zum Stichtag 31.Dezember 2010 genau 7868 Heranwachsenden mit deutschem Pass oder dem Pass von EU-Staaten den Zutritt zum Wahllokal verschafft und die Zahl aller Wahlberechtigten in Stuttgart auf 421.976 erhöht. Hätten Ende 2010 auch sämtliche Stuttgarter aus Nicht-EU-Staaten über 16 wählen dürfen, wären das auf einen Schlag noch einmal 66.024 Personen gewesen.

Bei Erstwählern Wahlbeteiligung niedrig

Aber würde das Wahlrecht auch geschätzt werden? Die Erkenntnisse des Statistischen Amts der Stadt Stuttgart sprechen nicht gerade dafür. Bei der Kommunalwahl 2009 stellten eingebürgerte Migranten und EU-Ausländer zwar 27 Prozent der Wahlberechtigten, aber nur elf Prozent der Wähler - und die Unionsbürger beteiligten sich besonders schwach an der Wahl. Die größte Gruppe der Menschen aus Nicht-EU-Staaten hat Familienwurzeln in der Türkei und würde bei Wahlen erfahrungsgemäß eher den linksorientierten Parteien Vorteile bringen, sagt Andreas Wüst von der Universität Mannheim, der viel über Wahlen und die Beteiligung von Migranten geforscht hat.

Der Kreis der Aussiedler etwa aus der früheren Sowjetunion wiederum tendierte lang zur CDU, zuletzt aber nicht mehr so stark. Diese Menschen hätten aber oft quasi an der Grenze den deutschen Pass erhalten und der CDU in Baden-Württemberg in der Vergangenheit geholfen, ihre strukturelle Mehrheit zu festigen, sagt Wüst. Deswegen könnte er nachvollziehen, wenn die Konkurrenz anderswo Stimmen holen möchte. Aus grundsätzlichen Erwägungen hält Wüst persönlich aber nichts davon, hiesigen Einwohnern aus Nicht-EU-Staaten das Wahlrecht zu verschaffen. Es gebe wissenschaftliche Hinweise, dass dies "nicht integrationsfördernd" wirke, weil sich diese Menschen dann mit dem Kommunalwahlrecht begnügen könnten und darüber hinaus vielleicht nicht mitwirken wollten. Zudem müsse man mit einer Gegenmobilisierung bei Andersdenkenden rechnen.

Wüst rät stattdessen, ernsthafter über die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft nachzudenken und die Hürden für die Einbürgerung weiter zu senken. Wer beispielsweise fünf Jahre hier lebe, solle eingebürgert werden und mitwählen dürfen. Zur Not könne die Einbürgerung immer noch verweigert werden, etwa aufgrund islamistischer Agitation.

Das Wahlalter auf 16 Jahre herabsetzen, könne man ja erwägen, wenn man junge Menschen stärker beteiligen wolle. Abgesehen von den Erstwählern sei die Wahlbeteiligung üblicherweise aber eher niedrig, sagt Wüst. Frühere Ansätze in Deutschland, den Menschen von außerhalb der EU das Wahlrecht zu geben, habe das Bundesverfassungsgericht unterbunden.