Andreas Gabalier ann0 2015 in der Schleyerhalle, nun kommt er ins Stadion. Foto: Lichtgut/Volker Hoschek

Keine Sorge. Es ist Sommer. Und es bleibt Sommer. Auch wenn sich am Wochenende wohl mancher zwicken muss und sich wie unser Kolumnist fragt: Ist schon wieder Fasching? Oder doch schon wieder Volksfest?

Stuttgart - Der Herr trägt Lederhose. Speckig, knackig, kurz. Sie gehört zu ihm wie der Hut zu Lemmy, der schwarze Stern zu „Kiss“-Sänger Paul Stanley, die Schuluniform zu Angus Young von „AC/DC“. Wer sich wie Andreas Gabalier als Bergbauernbuam inszeniert, der braucht natürlich eine Krachlederne. Und ganz viele der 50 000 Zuschauer, die am Samstag zu seinem Konzert in die ausverkaufte Mercedes-Benz-Arena kommen, werden es ihm gleichtun. Auch wenn sie keine Bergbauernbuam oder „Dirndl, Rehlein, Weiberl oder Zuckerpuppen“ sind, wie Gabalier die Damenwelt nennt, werden sich doch viele in ihre alpenländische Uniform werfen. Also keine Angst, es ist noch kein Volksfest und auch kein Almabtrieb, der selbst ernannte Volksrocker Gabalier ist in der Stadt. Eigentlich kennt der Schwabe keine Tracht. „Er trägt Häs“,so hat es uns mal Brauchtumsexperte Wulf Wager erklärt. Nämlich die Sonndichshäs für die Festtage, ein Werdichshäs und Stallhäs zum Arbeiten, ein Kirchahäs für den Kirchgang, ein Hauchzichshäs zum Heiraten, ein Trauerhäs und ein Fasnetshäs. Und nun auch noch ein Gabalier-Häs.

Vorsicht Haferlschuhe: Blasen drohen

Doch warum trägt nun alle Welt Kleinkariertes, Lederhose und Dirndl und hält es für Tracht? Erfunden haben es die Österreicher. Im 18. Jahrhundert sind Tiroler Volkssänger und Zillertaler Musikanten in halb Europa unterwegs gewesen. Als nach dem Wegfall der Ständeordnung Adelige das Landleben idealisierten und sich in aus allen Ecken zusammengeklaubter Bauerntracht zeigten, war das Bild der Folkloremode geprägt. Der Alpenschick entstand. Aber Vorsicht. Das Tragen kann gefährlich sein. Die Sanitäter hatten bei Gabaliers Konzert in München Schwerarbeit zu leisten. Die Haferlschuhe sind halt selten getragen, die Sanis brauchten 20 Meter Blasenpflaster.

Erst Blick aufs Dekolleté, dann melkt Gabalier den Kuheuter

Den Kärntner Gabalier hat man auch schon im Anzug gesehen, aber auf der Bühne geht er nie ohne Lederhose und die karierten um die Arme geknüpften Tücher. Was ist Inhalt? Was ist Verpackung? Das ist bei Künstlern schwer zu sagen. Vincent Damon Furnier geht brav jeden Sonntag in die Kirche, spielt Golf – und biss als Alice Cooper auf der Bühne einer Fledermaus den Kopf ab. Hodi odi ohh di ho, ist Gabalier tatsächlich nur der unbedarfte Schlagersänger, als der er sich darstellt? Oder flirtet sein „Volks-Rock’n’Roll“ nicht sehr mit dem Völkischen? Die Nationalhymne singt er in der alten Version, bei ihm ist Österreich nur Heimat „großer Söhne“, nicht auch Heimat der „großen Töchter“, wie es seit 2012 offiziell heißt; Spülmaschine ausräumen zu müssen ist für ihn ein Zug der „genderverseuchten Zeit“; im Lied „Bergkamerad“ halten „Kameraden zusammen, wie ein eisernes Kreuz, das am höchsten Gipfel steht“; er klagt „man hat’s nicht leicht auf dieser Welt, wenn man als Manderl noch auf ein Weiberl steht.“ Und im Video zu seinem Hit „Hallihallo“ zoomt die Kamera auf ein Dekolleté einer Frau. Nächste Einstellung: Gabalier melkt den Euter einer Kuh. Das ist schon ziemlich plump. Meint er, was er sagt? Sagt er, was er meint? Er sei wohl einigen zu bodenständig, „aber das werde ich ganz sicher nicht ändern“, hat er mal der „Bild“-Zeitung gesagt. Als meinungsstark verkauft er sich, bleibt aber im Ungefähren. Was natürlich Absicht ist. Alle sollen zu seinen Konzerten kommen. Und viele kommen ja tatsächlich. Nicht von ungefähr. Als Musiker ist Gabalier ausgezeichnet. Als Kaufmann übrigens auch. Es gibt eine Andreas Gabalier Kollektion, Dirndl und Lederhosen natürlich. Nur eines fehlt, was man dieses Wochenende ausgezeichnet brauchen könnte: eine Badehose im Trachtenlook.

Alpenschick hier, Superhelden dort

Verkleideten Städtern auf Landgang wird man begegnen, aber gut möglich auch, dass man in der S-Bahn neben Spiderman, Wolverine, Batman, Sturmtruppen, Darth Vader, Elfen, Einhörnern, Geisterjägern, Orks und Chewbacca sitzt. Die Comic Con ist in der Landesmesse, das nutzen die Cosplayer um sich in Schale zu werfen. Tausende von Stunden investieren sie in ihre Kostüme, um sich in Superhelden, Fantasiegestalten und Filmfiguren zu verwandeln. Wie’s gemacht wird, zeigt etwa der Mexikaner Jose Davalos alias Joo Skellington. Der hat schon als Kind die Klamotten der Oma getragen und ihr Make-Up benutzt, um andere Menschen darzustellen. Mittlerweile ist er bei Monstern angelangt, seine Ursula aus Disneys „Kleiner Meerjungfrau“ ist ziemlich lila und ziemlich beeindruckend. Blöderweise schwitzt man als Cosplayer unter all den Bergen von Stoff, Leder, Gummi und Fell mächtig. Das ist der Nachteil am Fasching im Hochsommer. Bei 36 Grad ist nur ein Kostüm angenehm– das Adamskostüm.