Die freie Theatergruppe Lokstoff präsneiterte im September 20009 im Schaufenster eines Stuttgarter Kaufhauses Susanne Hinkelbeins 'Waidmannsheil' Foto: dpa

Kunststaatssektretär Dietrich Birk im Gespräch über die Situation der freien Theater im Land.

Stuttgart - In diesen Tagen ist Stuttgart Forum der freien Theater in Deutschland. Anlässlich der Präsentation der Stücke des dieses Jahr zum Tanz ausgeschriebenen Theaterpreises findet auch der Bundeskongress der freien Theater statt. Nicht zuletzt, weil Baden-Württemberg die freie Szene in besonderer Weise fördert.

Herr Birk, das Land hat sich in den vergangenen Jahren erheblich für die freien Theater engagiert. Was war die Ausgangsmotivation?

Die lebendige freie Theaterszene ist in Baden-Württemberg ein Nährboden für innovative Theaterformen und Nachwuchstalente. Die freien Theater sind wichtige Impulsgeber für die künstlerische Weiterentwicklung auch der großen Bühnen. Im Bereich der Kinder- und Jugendtheater sind die freien Theater "Marktführer" und haben dadurch auch eine besondere Rolle bei der kulturellen Bildung. Außerhalb der Ballungsräume erfüllen die freien Theater zudem einen wichtigen kulturellen Auftrag.

Das heißt, es gibt handfeste Gründe für das Engagement?

Es war vor dem skizzierten Hintergrund auf jeden Fall hilfreich, dass der Landesverband der Freien Theater Baden-Württemberg seit 2005 statistisch nachweisbar das Leistungspotenzial der freien Szene darstellen konnte, was den Nachholbedarf bei der Förderung deutlich aufgezeigt hat. Im Rahmen der Initiative "Stärkung der Kunst in der Fläche" und im Schulterschluss mit allen Beteiligten ist es zu meiner großen Freude gelungen, die Förderung im Jahr 2009 um 1,1 Millionen Euro auf knapp 1,5 Millionen Euro anzuheben. Die Mittel für die freien Theater wurden also fast vervierfacht.

Wie wurde der Förderprozess begleitet?

Wir werten gemeinsam mit dem Landesverband Freier Theater jedes Jahr die Erfolge der vielen Förderinstrumentarien, die wir mittlerweile eingeführt haben, aus - und legen auch gemeinsam die Schwerpunkte für die nächsten Jahre fest.

Sie haben die regionale Feinstruktur im Land betont. Treten besser geförderte freie Theatergruppen nicht in Konkurrenz zum regionalen Versorgungsauftrag der Landestheater?

Nein. Die freien Theatergruppen und die Landestheater ergänzen sich optimal. Bei den Kinder- und Jugendtheatern erreichen die freien Theater gerade im ländlichen Raum durch ihre Flexibilität und Mobilität auch kleinste Gemeinden, die größere Bühnen aus Zeit- und Kostengründen gar nicht bespielen könnten. Im Jahr 2009 wurden für diese Zielgruppe über 700 Gastspiele freier Theater gefördert, und es ist davon auszugehen, dass es in diesem Jahr über 900 sein werden. Diese hohe Anzahl an Gastspielen könnten die drei Landesbühnen allein gar nicht wahrnehmen.

Und wie ist es bei den Erwachsenen?

Hier sind die Zielgruppen sehr unterschiedlich, weshalb auch hier keine Konkurrenzbeziehung besteht. Wir sollten Landesbühnen und freie Theater nicht gegeneinander ausspielen oder die Erfolge gegenrechnen. Wir brauchen beide, um die kulturelle Versorgung an jedem Ort in Baden-Württemberg sicherzustellen.

Wie sehen Sie die Entwicklung der freien Theater?

Sehr positiv, da durch die Erhöhung der Fördermittel die Qualität der Projekte erkennbar gesteigert werden konnte. Die Jury des Stuttgarter Theaterpreises hat zum Beispiel gerade das hohe Niveau der eingereichten Tanzprojekte hervorgehoben. Die freien Theater in Baden-Württemberg sind nun auch in der Lage, größere und längerfristige Projekte umzusetzen, die vorher nicht realisierbar waren. Der Effekt der erhöhten Förderung wird noch dadurch verstärkt, dass es den Freien Theatern nun besser gelingt, zusätzliche Drittmittel zu akquirieren, zum Beispiel beim Fonds Darstellende Künste.

Die freien Theater betonen die Unabhängigkeit. Nicht nur in Stuttgart aber beobachtet man eine Entwicklung, in der sich unterschiedliche freie Gruppen um einen gemeinsamen festen Spielort bemühen. Wie sehen Sie das?

Die freien Tanz- und Theaterschaffenden brauchen eine feste Produktions- und Spielstätte, um sich in der jeweiligen Kommune ein eigenes Profil erarbeiten zu können. Klar ist aber auch: Das Interesse für eine Produktions- und Spielstätte muss von einer Kommune ausgehen, die bereit ist, in eine solche Institution zu investieren. In der gerade veröffentlichten Kunstkonzeption "Kultur 2020" haben wir diesem Thema einen Abschnitt gewidmet, was unser Interesse an einer solchen Einrichtung belegt. Die Umsetzung kann aber nur auf Initiative und mit dem entsprechenden finanziellen Engagement einer Kommune geschehen.

Wir haben viel über Strukturen und Verhältnisse gesprochen. Was erwarten Sie denn von dem Kongress selbst?

Ich freue mich darüber, dass Baden-Württemberg noch bis zum Sonntag vier Tage lang Zentrum der freien darstellenden Künste in Deutschland ist. Für die freien Theaterschaffenden aus Baden-Württemberg ist das eine gute Gelegenheit, sich zu präsentieren und zu vernetzen. Ich erwarte mir von dem Kongress Impulse für Arbeitsweise und die Arbeitsstrukturen der freien Theater auch in Baden-Württemberg.