Samar Khoury Haberstroh hat für ihre Masterarbeit Flüchtlinge befragt. Foto: Linsenmann

Eine neue Studie zu Flüchtlingen in der Stadt wurde jüngst im Bürgerhaus in Stuttgart-Feuerbach erstmals vorgestellt – sie lieferte so manche Überraschung.

Feuerbach - Männer sind besser beim Erwerb der deutschen Sprache als Frauen. Jedenfalls wenn es um in Stuttgart untergebrachte Flüchtlinge geht. Eine Aussage, die im gut besetzten Feuerbacher Bürgersaal mit Verblüffung und teils auch amüsiert aufgenommen wurde, denn gemeinhin gilt eher das Gegenteil. Hier aber wurde der Vorsprung der Männer als wissenschaftliche Erkenntnis präsentiert. Als Teilergebnis einer Masterarbeit, mit der die Soziologin und Religionswissenschaftlerin Samar Khoury Haberstroh die Situation und Perspektiven hiesiger Flüchtlinge untersucht hat: „Wie leben, fühlen und denken syrische Flüchtlinge in Stuttgart?“ Eine taufrische Studie, die nun im Rahmen einer offenen Bürgerversammlung des Freundeskreises Flüchtlinge Feuerbach (FFF) erstmals öffentlich vorgestellt wurde.

Diese „kleine Nebensache“ führt in der Erklärung des Unterschieds allerdings ins Zentrum der Problemlage: Männer kommen eher heraus aus den Unterkünften, nehmen häufiger Kurse wahr, haben mehr Außenkontakte, kommen häufiger in Arbeit. „Frauen müssen sich um die Kinder kümmern und haben deshalb weniger Chancen, ein höheres Sprachniveau zu erreichen“, erläuterte Haberstroh. Ihr Vortrag war auch deshalb aufschlussreich, weil sie die Ergebnisse der Studie mit Handlungsempfehlungen verband. Hier etwa, „über kreative Wege nachzudenken, weniger im Klassenraum, mehr im Miteinander zu lernen“.

Im Kopf ist der Krieg in Syrien präsent

Ein anderes Ergebnis: weit verbreitete „Depression“, die nicht als Krankheitsbild, sondern als „Befindlichkeit“ syrischer Flüchtlinge bezeichnet wurde: „Im Kopf ist der Krieg in Syrien präsent“, sagte die Soziologin. Hinzu komme „Verlust und Entwurzelung, aber auch Schuldgefühle, weil es den Verwandten in Syrien schlechter“ gehe. Und nicht zuletzt: „Dass es ein sehr langer Weg ist, wieder in einen Beruf und in ein selbstständiges Leben zu kommen. Wer Geld verdienen kann, steigert sein Wohlbefinden.“ Für Belastung sorge auch die veränderte politische Großwetterlage: „Es geht das Gerücht um, dass alle, die über den subsidiären Schutz ein Aufenthaltsrecht haben, zurück müssen.“

Hier fügte die Referentin „eine der wichtigsten Erkenntnisse der Studie insgesamt“ an: „Am besten geht es denjenigen, die Integration als Ziel im Kopf haben. Menschen, die ihre eigene Kultur behalten, aber auch die deutsche Kultur kennenlernen und sich mit ihr verbinden wollen.“ Klar geschieden von Assimilation und Segregation, vom Aufgehen in der hiesigen Kultur und völliger Abkapselung davon, war Integration dann das zentrale Thema. Das Ergebnis der Umfrage: „Alle geben das als wichtig an. Theoretisch möchten sie Integration, aber es ist ein schwieriger Schritt“, sagte Haberstroh. Hier kam es zu kritischen Anmerkungen aus dem Publikum. Etwa, dass komplett verhüllte Frauen „eine Katastrophe für die Integration“ seien. Dem stimmte Haberstroh zu: „Es gibt Formen der Religiosität, die Integration verhindern, aber auch welche, die flexibler sind.“ Ein Anderer wollte wissen, ob Syrer mit der Hoffnung auf ein Kriegsende bereits an Rückkehr dächten. Dazu sagte sie: „Sie träumen von der Rückkehr und sie weinen. Und dann sagen sie nein.“ Ein wichtiger Faktor seien da die Kinder: „Sie gehen hier in die Schule, fassen Wurzeln, wollen bleiben. Und die Eltern hoffen, dass sie hier doch eine bessere Zukunft haben werden.“

Mit Flüchtlingen in Kontakt treten

Bei der Frage, was Integration fördern könne, führte die Referentin ein arabisches Sprichwort an: „Wir teilen Brot und Salz.“ Die Folgerung daraus: „Ohne gemeinsames Essen kann man nicht in tiefere Gemeinschaft kommen.“ Auch hier wollte sie den Freundeskreis „ermutigen, dranzubleiben. Auch wenn es manchmal schwierig ist“. Auch bei anderen Aspekten maß sie Begegnung „die größte Bedeutung“ bei: „Über Beziehung in Kontakt treten, in kleineren Gruppen oder indem man in die Unterkünfte geht und auch mal anklopft. So geben wir den Flüchtlingen die Möglichkeit, zu lernen und sich zu öffnen.“ Die Sozialarbeiterin Anja Braun, die den englischen Vortrag übersetzte und die in der Unterkunft Krailenshaldenstraße arbeitet, fügte hinzu: „Es braucht Zeit, es braucht Beziehung, es braucht einen langen Atem.“ Dies spielte auch in den Berichten des FFF eine Rolle, wo neben weiteren Helfern für Hausaufgaben laut Michael Zeiß dieser Bedarf besteht: „Wir brauchen Unterstützung. Nicht organisatorischer Natur, sondern viele Leute mit persönlichen Kontakten, für viele Aktivitäten in der Stadt.“