Grund zum Feiern: Schulleiter Herwig Rust, der Überbringer der Urkunde Stephan Reichstein, Ezana Krasniqi, Umweltminister Franz Untersteller, Jonas Pflieger, Natasha Kant, Ebru Birinci und Konrektorin Larissa Langmann (von l.) bei der Verleihung des Titels. Foto: privat

Die Realschule Feuerbach darf sich neuerdings „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ nennen. 98 Prozent aller am Schulleben Beteiligten haben sich dort verpflichtet, sich gegen jede Art von Diskriminierung an ihrer Schule zu wenden und haben eine entsprechende Erklärung unterschrieben.

Feuerbach - Abfällige Bemerkungen, das Gegenüber nicht grüßen, um ihm damit zu verstehen zu geben: „Du gehörst nicht zu uns.“ Im Alltag zeigt sich Rassismus meist versteckt.

Diesen Tendenzen will die Realschule Feuerbach kollektiv entgegentreten. An der Schulfassade prangt seit zwei Wochen ein schwarz-weiß gestaltetes Schild mit der Aufschrift: „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Es ist für Passanten, die auf dem Bürgersteig der Hohewartstraße am Schulgelände vorbeigehen, gut sichtbar. Bei einer Feierstunde in der Turnhalle der Realschule am 13. Oktober wurde der Schule der Titel offiziell verliehen.

187 Schulen in ganz Baden-Württemberg haben die Auszeichnung bereits bekommen

187 Schulen in ganz Baden-Württemberg haben inzwischen diese Auszeichnung bekommen. Bundesweit beteiligen sich 2500 Schulen: „Es ist das größte Schülernetzwerk in Deutschland, insgesamt erreichen wir 2,5 Millionen Schüler im gesamten Bundesgebiet“, sagt Stephan Reichstein vom Kolping Bildungswerk Württemberg, das in Baden-Württemberg die Landeskoordination der Aktion „Schule ohne Rassismus“ organisiert.

Seit dem Jahr 1995 gibt es die Initiative, die ursprünglich von dem Verein Aktion Courage ins Leben gerufen wurde. Um das Zertifikat zu bekommen, muss jede Einrichtung bestimmte Voraussetzungen erfüllen. So verpflichten sich alle am Schulleben Beteiligten mit ihrer Unterschrift, sich gegen jede Art von Diskriminierung an ihrer Schule zu wenden. Gleichzeitig setzten sich Schüler und Lehrer dafür ein, dass an „ihrer“ Schule mindestens ein Mal pro Jahr ein Projekt zu dem Thema durchgeführt wird, berichtet Herwig Rust, der Schulleiter der Realschule Feuerbach: „Bei uns haben 98 Prozent aller am Schulleben Beteiligten diese Selbstverpflichtung unterschrieben“, sagt der Rektor. Das sei ein klares Zeichen gegen jedwede Form der Diskriminierung.

Früherer Schülersprecher brachte die Aktion ins Rollen

„Von der ersten Initiative bis hin zur Titelverleihung ist fast ein ganzes Jahr vergangen“, berichtet die kommissarische Konrektorin Larissa Langmann. „Unser damaliger Schülersprecher Arian Kovani kam auf uns zu und stellte den damaligen Verbindungslehrerinnen das Projekt vor“, erzählt sie. „Wir waren sofort davon überzeugt. Denn es passte super zu einem unserer Schul-Leitbilder ‚Das Miteinander der Kulturen‘ und auch zur neuen Leitperspektive ‚Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt‘ im Bildungsplan.“

In der zweiten Phase wurde das Projekt dann in Schulkonferenzen und den verschiedenen Klassen präsentiert und diskutiert. „Im Frühjahr war ich selbst zu einer der Konferenzen eingeladen und habe das Konzept in der Schule vorgestellt“, sagt Reichstein von der Koordinationsstelle. „Wir vertreten einen breiten Ansatz“, betont er. Eines der Leitziele des Schule-gegen-Rassismus-Projektes sei, dass die Schüler lernen, bei Konflikten und Differenzen eine „gewaltfreie und den Menschenrechten verpflichtete Problemlösungskompetenz“ zu entwickeln. Die Realschule in Feuerbach sei da schon sehr weit: „Dort herrscht ein gutes Klima“, betont er. Und eine Multikulti-Schule ist sie ohnehin: Denn von den insgesamt 380 Schülern, die hier unterrichtet werden, haben viele einen Migrationshintergrund. Kinder aus 28 Nationen besuchen die Realschule. Von A wie Albanien bis Z wie Zentralafrikanische Republik reicht die alphabetische Liste der Länder, aus denen die Kinder stammen oder aus denen die Eltern hierher kamen.

Ein Zeichen gegen jedwede Form der Diskriminierung

Die 15-jährige Natasha Kant aus der 10b ist ein Beispiel von vielen: „Ich bin halb Italienerin und halb Inderin“, sagt sie. Hin und wieder werde sie angequatscht deswegen. Aber unter Rassismus, erklärt sie, verstehe sie viel mehr, nicht nur die Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe, sondern auch Benachteiligungen wegen der Sexualität und Religion. Auch die Abwertung von Behinderten, Homosexuellen oder auch Mobbing gegen Mitschüler zählt sie dazu: Ausgrenzung jeglicher Art habe in einer offenen Gesellschaft nichts zu suchen: Die „Ehe für alle“ sei ihr wichtig, sagt sie.

Seit zwei Jahren ist Natasha Klassensprecherin. Sie berichtet, dass sie eine ziemliche Kehrtwende in den vergangenen Jahren vollzogen habe. Sie habe sich früher öfter respektlos gegenüber anderen Menschen verhalten: „Ich war unhöflich, patzig und auch öfter in Streitigkeiten verwickelt, und ich hatte schlechte Noten“, zählt sie auf. Natasha habe eine „enorme Wandlung und Veränderung“ durchgemacht, bestätigt auch ihre Lehrerin und Konrektorin Langmann. Denn inzwischen ist Natasha an der Feuerbacher Realschule – das kann man durchaus so sagen – eine Botschafterin für die gesamte Aktion geworden. Sie wirbt gemeinsam mit der 14-jährigen Ezana Krasniqi für mehr Toleranz an der Schule. Beide Mädchen führten bei dem Festakt am 13. Oktober durch das Programm. Schulleiter Rust begrüßte zum Auftakt alle, die Fünftklässler zeigten Schattenspiele, Jonas Pflieger aus der 9b hielt eine bewegende Rede. Pate der Aktion war Umweltminister Franz Untersteller (Grüne), der berichtete, dass er früher selbst an einer Realschule war. Er enthüllte nach dem Festakt das Schild an der Hauswand. Gleichzeitig ließen Schüler Luftballons steigen.

Die Realschüler aus Feuerbach wollen auch künftig Flagge zeigen gegen Diskriminierung. Die nun gegründete Arbeitsgemeinschaft „Schule gegen Rassismus“ ist nur ein Projekt von mehreren: „Wir bieten eine Islam-AG und einen Rhetorik-Kurs an, organisieren einen Spendenlauf an der Schule und wir werden beim Weihnachtsmarkt Feuerbach für das Projekt werben.“