Anita Kmoch besucht das Grab ihres Hundes Tammy zweimal die Woche. Dort findet sie Trost. Foto: Caroline Holowiecki

Auf dem Fasanenhof befindet sich der einzige öffentlich zugängliche Tierfriedhof in ganz Stuttgart. Etwa 100 Beerdigungen finden dort pro Jahr statt. Doch warum ist der Ort für so viele so wichtig?

Fasanenhof - Klara war ein außergewöhnlicher Papagei. Die Gelbnackenamazone konnte lachen und bellen, die Vornamen ihrer Besitzer sprechen, und singen konnte Klara auch. „Hänschen klein, Stock, Hut, gut. Das hatte ihr meine Mutter beigebracht“, erinnert sich Elke Autenrieth. „Sie hat immer gemerkt, wenn jemand traurig war“, sagt die Rentnerin aus Stuttgart-West, und dabei werden ihre Augen etwas feucht. 13 Jahre ist Klara schon tot. Auf dem Tierfriedhof auf dem Fasanenhof fühlt sich die Halterin ihrer gefiederten Freundin jedoch noch nah. Elke Autenrieth hält das verblichene Bildchen, das sonst auf dem Grab liegt, in den Händen. „Ich rede mit ihr. Hier ist sie nicht weg.“ Froh und glücklich sei sie, dass es den privaten Friedhof gebe.

Rolf Bohler aus Münsingen hat ihn vor einigen Jahren übernommen. Im Hauptberuf ist er Gartenbauer, verwaltet das Gelände nahe der Autobahn also nicht nur, sondern pflegt es auch. Mit dem Aufsitzmäher zieht er in der Sonne seine Kreise über das 6000 Quadratmeter große Areal, die halblangen Haare flattern ins sonnengebräunte Gesicht. Den 51-Jährigen kennen hier alle. Viele duzen ihn. Bohler berät die Kunden, wenn ihr Tier gestorben ist, er spricht in der Aussegnungshalle die letzten Worte, er steht mit am Grab. Ein bisschen wie ein Seelsorger. „Meine Aufgabe ist es zuzuhören. Ich kann zu jedem Tier eine Geschichte erzählen.“ Rolf Bohler sieht viel. Zwei Zuhälter, knallharte Kerle, die bitterlich am Grab des Schäferhundes weinen, zerstrittene Familien, die sich in der Trauer wieder vereinen, Gräber, auf denen die Kerze niemals erlischt. „Seit ich hier bin, habe ich den Eindruck, dass mehr dahintersteckt, hinter der Beziehung zwischen Mensch und Tier“, sagt er.

Rein rechtlich ist ein totes Tier Abfall

Rein rechtlich ist ein totes Tier Abfall und muss entsorgt werden. Haustiere dürfen auf dem eigenen Grundstück begraben werden, wenn einige Dinge beachtet werden, erklärt Walter Rupff, der in Remseck das einzige Tierkrematorium im Großraum Stuttgart betreibt. Der Kadaver muss mit mindestens 50 Zentimeter Erde bedeckt sein, außerdem darf er nicht im Landschafts- oder Wasserschutzgebiet bestattet werden, ebenso wenig in der Nähe eines öffentlichen Weges, und der Nachbar sollte auch seinen Segen geben. Außerdem kann man tote Haustiere an Tierkörpersammelstellen abgeben, etwa in Feuerbach. Von dort aus geht die letzte Reise in die Verwertungsstelle. Wer Rupffs Dienstleistungen in Anspruch nimmt, kann nach der Einäscherung die sterblichen Reste von Bello, Kitty und Co. in einer Urne nach Hause nehmen – oder eben auf einem Tierfriedhof bestatten lassen.

Auf dem Fasanenhof ist der einzige öffentlich zugängliche Tierfriedhof in Stuttgart. Seit vielen Jahre betreibt der Tierschutzverein bmt mit Sitz in Pfullingen einen auf Heumadener Gemarkung – beerdigen dürfen ihre Tiere auf dem abgeschlossenen Gelände jedoch nur Mitglieder. Neue Gräber werden außerdem derzeit nicht mehr belegt. So kommt es, dass Rolf Bohler Zulauf hat – auch weil Tierfriedhöfe selten sind. Die nächsten liegen laut Bohler in Mössingen oder Kornwestheim.

Selbst Fische sind auf dem Tierfriedhof begraben

Die Verbindung zwischen Mensch und Tier werde zunehmend emotionaler, „das sind Familienmitglieder“. In 40 Prozent aller Haushalte leben Tiere, sagt Bohler, viele Menschen haben aber keinen Garten, um ihren toten Freund zur letzten Ruhe zu betten. Und wegwerfen, das kommt für viele nicht infrage. Um die 800 Gräber gibt es auf seinem Grundstück. Manche sind mehrfach belegt, einige sind anonym, andere sind bereits wieder aufgelöst worden. Springmäuse, Hängebauchschweine, Schildkröten, selbst Fische haben dort das letzte Geleit bekommen. Nutztiere sind indes nicht erlaubt. 80 bis 90 Prozent der Gräber sind laut Bohler mit Katzen und Hunden belegt. Pro Jahr finden rund 100 Bestattungen statt. Die lassen sich die Familien durchaus etwas kosten. Die Beerdigung einer Katze beispielsweise und die Pacht eines Grabes über fünf Jahre kosten 410 Euro, Namenstafel inklusive.

Viele Gräber sind wahre Kunstwerke

Für die Leute, die Rolf Bohlers Dienste in Anspruch nehmen, ist das Geld zweitrangig. Sie wünschen sich einen Ort, an dem sie in Frieden trauern können. Viele Grabstätten sind wahre Kunstwerke. Spielzeuge, Fotos, selbst gemalte Schilder, versehen mit persönlichen Botschaften und Sprüchen von Antoine de Saint-Exupéry oder Michelangelo. Anita Kmoch hat 14 Jahre ihres Lebens mit Tammy verbracht. „Wir waren 24 Stunden zusammen, sie war sogar im Geschäft dabei“, sagt die Frau aus Stuttgart-West. 2012 starb die Spitz-Dame. Ihr Grab besucht Kmoch zusammen mit ihrem neuen Spitz Nicky zweimal die Woche. Frühlingsblumen sind eingepflanzt, Engel, Steine und Käfer zieren die Ruhestätte. Der Zaun dahinter ist mit Herzen behängt. „Die Enkelkinder bringen immer wieder welche mit“, sagt sie. „Das spendet Trost“, schiebt sie hinterher und schnäuzt sich die Nase.

Trost. Er vereint die Menschen auf dem Tierfriedhof. „Es gibt Leute, die haben kein Verständnis“, weiß Elke Autenrieth, die auch nach 13 Jahren noch um ihren Papagei Klara trauert. Aber die Leute gegenüber, die seit 2008 regelmäßig zur Ruhestätte von Chico, dem Nymphensittich, kommen, die verstehen sie. Am Grab findet Autenrieth Ruhe. „Der Ort hier ist so friedlich und schön“, sagt sie und atmet die Frühlingsluft ein. Sie schaut noch mal. „Klärle, mach’s gut“, sagt sie. Bis zum nächsten Mal.