Erzieherinnen aus Italien, Betreuerinnen, IB-Vertreter und Stadträte rücken eng zusammen:So wünschen deutsche Firmen und Kommunen sich das nicht nur auf Fotos. Foto: Peter Petsch

Kommunen und Unternehmen suchen händeringend nach Fachkräften – auch im Ausland. Die Erfahrungen sind unterschiedlich. Ein Vorstoß der Stadt Stuttgart ist bisher mäßig erfolgreich. Doch es gibt keine Alternativen.

Kommunen und Unternehmen suchen händeringend nach Fachkräften – auch im Ausland. Die Erfahrungen sind unterschiedlich. Ein Vorstoß der Stadt Stuttgart ist bisher mäßig erfolgreich. Doch es gibt keine Alternativen.

Stuttgart - „Stiefmütterchen.“ Das Gelächter ist groß angesichts des exotischen deutschen Worts, das man kürzlich bei einem Spaziergang gelernt hat. In der Runde beim Internationalen Bund (IB) sitzen fünf junge Frauen aus ganz Italien. Seit einigen Wochen sind sie als Teil einer 20-köpfigen Gruppe in Stuttgart. Der große Dienstleister aus der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit hat sie als Erzieherinnen angeworben. Mit Sprachkurs, Praxiseinsatz und anschließender Garantie auf einen Arbeitsvertrag. Die Personalnot ist groß im Land.

In Italien dagegen herrscht Arbeitslosigkeit. „Gerade bei jungen Leuten beträgt sie teils 70 Prozent“, weiß Geschäftsführer Gerardo Cardiello. Da bleibt vielen nur der große Schritt ins Ausland. Nach einem siebenmonatigen Praktikum in ihrer Heimat habe sie nichts in der Hand gehabt als ein „Auf Wiedersehen“, erzählt Daniela Fusto aus Sizilien. Daran änderten auch hundert Bewerbungen nichts. Jetzt ist sie in Stuttgart. Und wundert sich wie ihre Kolleginnen über das viele Grün, das „funktionierende System“ – und das fehlende Autohupen. „Laut ist es hier nicht. Selbst die Demonstrationen sind ordentlich“, sagt Valentina Calvano und lacht. Alle fühlen sich bisher wohl.

Ganz so einfach funktioniert die Anwerbung nicht immer. Das hat die Stadt Stuttgart erfahren. Bei ihrer Suche nach Erzieherinnen in Rumänien sind bisher ganze acht Bewerberinnen herausgekommen. Den Berufsabschluss der Hälfte von ihnen hat das Regierungspräsidium anerkannt, bei den anderen gibt es Probleme. Der Arbeitseinsatz wird sich dadurch wohl verzögern. Gerüchten, einige hätten schon aufgegeben, tritt Heinrich Korn vom Jugendamt entgegen: „Aktuell liegen keine Kündigungen vor. Die Integration verläuft sehr positiv.“

Sprache, Heimweh, Überqualifikation

Auch die Evangelische Heimstiftung hat beide Seiten der Anwerbung im Ausland kennengelernt. 30 studierte Krankenpflegekräfte aus Spanien, Portugal und Italien hat man geholt. Hauptgeschäftsführer Bernhard Schneider lobt deren Qualifikation und Integrationswille, er weiß aber auch: „Es gibt Mitarbeiter, die abgebrochen haben.“ Die Sprache, das Heimweh, die Überqualifikation einiger für den angebotenen Arbeitsplatz, all das könne Probleme verursachen.

Dazu kämen personelle Engpässe in den Regierungspräsidien und hohe Hürden speziell in Baden-Württemberg: Die Anerkennung müsse schneller gehen, die Bewerber müssten besser informiert und betreut werden. „Ansonsten machen gute Fachkräfte künftig einen Bogen ums Land“, sagt Schneider. Insgesamt könne er die Rekrutierung im Ausland zwar empfehlen, allerdings dürfe man „den hohen personellen und finanziellen Beitrag, den der Arbeitgeber zu leisten hat, nicht unterschätzen“.

Der Internationale Bund hat überwiegend positive Erfahrungen gemacht. „Wir haben inzwischen 400 Leute für die Krankenpflege und den Erzieherberuf geholt. Bis heute hat es lediglich 15 Abbrecher gegeben“, sagt Cardiello. Das liege in erster Linie an der intensiven Betreuung. Tutorinnen kümmern sich um die Neu-Stuttgarter. Die aktuelle Gruppe aus Italien etwa ist zu Beginn drei Tage lang in der Stadt unterwegs gewesen, um sich zu orientieren und die wichtigsten Dinge für den Alltag zu lernen – etwa die Bedienung eines Fahrkartenautomaten.

„Ich bin mir sicher, dass ich nur gewinnen kann“

Dass die Auswahl funktioniert, schreibt Cardiello aber auch den Qualitäten der Bewerber zu: „Wir rekrutieren nur Leute im Alter zwischen 23 und 32 Jahren. Viele haben gleich mehrere Studienabschlüsse. Das sind Schnelllerner.“ Alle brächten eine erstklassige Ausbildung mit und ganz andere Ansprüche als die Migranten vor 50 Jahren: „Das ist mit damals nicht zu vergleichen.“

Ob die Bewerberinnen beim Internationalen Bund dauerhaft in Deutschland bleiben, ist offen. „Ich möchte nicht ausschließen, irgendwann nach Italien zurückzukehren, wenn sich die Lage dort bessert“, sagt Maurizia Scarano. Doch den Schritt nach Stuttgart will sie wie die anderen mit aller Konsequenz tun: „Ich bin mir sicher, dass ich nur gewinnen kann.“

Das gilt auch für die künftigen Arbeitgeber. „Die Stadt baut Kitas, uns fehlt aber das Personal dafür. Der Markt ist begrenzt, die Kommunen stehen im harten Wettbewerb miteinander. Wir müssen schauen, wie wir zu guten Leuten kommen“, sagt Bernd Klingler. Der Fraktionsvorsitzende der FDP im Gemeinderat steht in engem Kontakt zum IB. Seine SÖS-Kollegin Maria-Lina Kotelmann, selbst mit italienischen Wurzeln, betont, dass die passende Betreuung der Bewerber der Schlüssel zum Erfolg sei.

Beim IB funktioniert sie offenbar. Deshalb streckt die Stadt bereits die Fühler nach dessen Leuten aus. Einige der Italienerinnen könnten für eine Stelle bei der Landeshauptstadt infrage kommen. Und künftige gemeinsame Anwerbungsrunden in Neapel sind bereits angedacht. Doch auch Rumänien bleibt trotz der mäßigen ersten Erfahrungen ein Thema: „Wir werden dort im Frühjahr weitere Anstrengungen unternehmen“, sagt Heinrich Korn. Der Stadt bleibt gar nichts anderes übrig.

Vielleicht lernen dann in Zukunft noch mehr Fachkräfte das exotische deutsche Wort Stiefmütterchen.