Bereits im vergangenen Jahr blieben fünf Bürgerbüros in Stuttgart sechs Wochen am Stück geschlossen – darunter auch jenes in Degerloch. Foto: Julia Bosch

Die Anwohner aus Degerloch und Münster dürften nicht begeistert sein: An diesem Freitag, 26. Mai, bleiben die Bürgerbüros in den beiden Stadtbezirken geschlossen. Grund für die Schließung ist nicht etwa der Brückentag, sondern eine erhebliche Personalnot. Wir haben näher nachgefragt.

Degerloch - Es ist eine dürre Meldung, die vergangene Woche im Pressedienst der Stadtverwaltung stand. Doch diese hatte es in sich: Wegen „personeller Engpässe“ bleiben die Bürgerbüros in Degerloch und im Stadtbezirk Münster am kommenden Freitag, 26. Mai, geschlossen. Die Bürger müssen an diesem Tag auf die Bürgerbüros in den benachbarten Bezirken ausweichen. Hier können Dokumente beantragt sowie abgeholt werden.

Wer hinter der Meldung vermutet, dass eben auch die Mitarbeiter der Stuttgarter Stadtverwaltung an dem Brückentag zwischen Christi Himmelfahrt und dem Wochenende gerne freinehmen und aus diesem Grund die Bürgerbüros geschlossen bleiben, liegt falsch.

Bürgerbüro Nord hat bereits seit April geschlossen

„Der Freitag wird zwar von unseren Mitarbeitern als Brückentag genutzt, aber in geringem Umfang. Unser Grundsatz lautet natürlich, dass die Bürgerbüros auch an Brückentagen geöffnet haben“, sagt Dieter Biller, der Leiter der Abteilung Einwohnerangelegenheiten der Stadtverwaltung. Vielmehr stecke hinter der Schließung die angespannte Personalsituation in den Bürgerbüros. Das Bürgerbüro Nord an der Rosensteinstraße ist bereits seit Anfang April geschlossen und öffnet voraussichtlich erst im Juni wieder. Nun sei die Not so groß, dass an diesem Freitag zwei weitere Bürgerbüros schließen müssten.

„Die Leiterin des Degerlocher Bürgerbüros hat Urlaub, ihre Vertreterin hat kurzfristig in einen anderen Bereich gewechselt, und einige Mitarbeiter leiden unter langfristigen Erkrankungen“, sagt Biller. In Münster sei die Situation ähnlich: Eine Mitarbeiterin habe Urlaub, und die Vertretung falle kurzfristig aus. „Da wegen der sehr engen Personaldecke alles auf Kante genäht ist, fehlen mir die Reserven, um dieses Loch zu stopfen“, sagt Biller.

„Die Belastungsgrenze unserer Mitarbeiter ist erreicht“

Der Abteilungsleiter verweist darauf, dass die Bevölkerungszahl Stuttgarts innerhalb der vergangenen vier Jahre um mehr als 40 000 Bürger angestiegen sei. So waren am 31. Dezember 2012 insgesamt 578 876 Menschen in der Landeshauptstadt gemeldet. Vier Jahre später, am 31. Dezember 2016, waren es 609 216 Menschen. Dieser Zuwachs entspreche einer größeren Stadt. Zum Vergleich: Die Stadt Böblingen etwa zählt 48 000 Einwohner.

„Diese 40 000 zusätzlichen Bürger verursachen natürlich zusätzliche Arbeit“, sagt Biller. Doch die Bürgerbüros hätten keine zusätzlichen Mitarbeiter genehmigt bekommen. Im Jahr 2012 gab es 138,3 Stellen in den Bürgerbüros, im Jahr 2016 waren es mit 137,6 sogar 0,6 Stellen weniger. „Die Belastungsgrenze unserer Mitarbeiter ist erreicht“, sagt Biller. Diese Überlastung zeige sich vor allem an den Fehltagen. 2016 hätten seine Leute durchschnittlich an 34,8 Tagen gefehlt. Der Job in den Bürgerbüros sei nicht ohne: „Unsere Mitarbeiter müssen auch mit sehr wütenden Bürgern sprechen und sind im Winter permanent Grippeviren ausgesetzt.“ Mittlerweile gebe es Arbeitsgruppen, die sich mit dem Personalmangel und einer Verbesserung der Situation beschäftigten.

2016 hatten fünf Bürgerbüros sechs Wochen lang zu

Doch nicht nur die Mitarbeiter würden unter der angespannten Personalsituation leiden: „Die Zahl der Schließtage steigt, und immer wieder müssen Bürger bis zu zwei Stunden in den Bürgerbüros warten.“ Dies würde verständlicherweise für Unmut sorgen und sei auch nicht im Interesse der Stadtverwaltung: „Man muss sich das wie beim ersten Treffen mit den Schwiegereltern vorstellen: Wenn jemand neu nach Stuttgart zieht und zunächst einmal zwei Stunden oder gar noch länger in einem unserer Bürgerbüros warten muss, macht das keinen guten Eindruck.“

Renate Polinski, die Bezirksvorsteherin von Münster, „bedauert“ die Schließung: „Natürlich ist eine kurzfristige Schließung des Bürgerbüros immer mit Nachteilen für die Bürgerschaft verbunden.“ Die Reaktion der Bürger bleibe abzuwarten, zumal viele Bürger an Brückentagen einige Behördengänge erledigten. Aus dem Bezirksamt in Degerloch war niemand erreichbar.

Im vergangenen Frühjahr mussten fünf Bürgerbüros einmal für sechs Wochen am Stück schließen: Für die Bearbeitung von rund 3000 aufgelaufenen Fällen, bei denen Asylbewerber noch nicht melderechtlich erfasst waren, blieben vom 1. Februar bis zum 11. März 2016 die Bürgerbüros in Degerloch, Hedelfingen, Obertürkheim, Münster und Stammheim geschlossen.