Aus dem Gebäude soll ein dreistöckiges Haus mit Café und Laden werden. Foto: Tilman Baur

Aus dem kleinen Feinkost-Kiosk am Haigst in Stuttgart-Degerloch soll ein dreistöckiges Gebäude mit größerem Lebensmittelladen und Panorama-Café werden. Drei Anwohner erklären, warum ihnen diese Pläne überhaupt nicht gefallen.

Degerloch - Ein schmuckes, dreistöckiges Gebäude mit Lebensmittelgeschäft und Panorama-Café: diese Vision verfolgen die Stadt und ein Privatinvestor für den kleinen Behelfsbau auf dem Haigst, der mit den Jahren eine Art Sozialtreff für viele Anwohner geworden ist. Der Neubau soll unter anderem den Ausflüglern, Radfahrern und Touristen gerecht werden, die mittlerweile in immer größerer Anzahl den gegenüberliegenden Santiago-de-Chile Platz aufsuchen.

Doch die Begeisterung der Degerlocher Bezirksbeiräte – bei ihnen sorgte der Vorschlag weitgehend für Euphorie – teilen längst nicht alle. Vor allem die Bewohner des Stadtteils am Rande von Degerloch sehen die Pläne kritisch.

Anwohner fürchten mehr Verkehr und weniger Parkplätze

„Die Politiker haben sich die Sache wohl nicht vor Ort angesehen“, sagt Anwohner Günther Steck. Der Haigst brauche weder ein neues Gebäude noch ein Panorama-Café, findet er. Steck sieht ein massiv erhöhtes Verkehrsaufkommen auf den Stadtteil zukommen. „Der Besucherstrom ist innerhalb der letzten Jahre stark angeschwollen. Es kommen viele Gruppen, der Santiago-de-Chile-Platz ist ein beliebtes Ausflugsziel geworden“, berichtet Steck. Ein Café würde den Verkehr verstärken, die angespannte Parkplatzsituation verschlimmern. Dazu komme der Lieferverkehr, den der Betrieb zwangsläufig mit sich bringen werde. Das derzeitige Arrangement sei völlig ausreichend, findet Günther Steck. Der freundliche und zuverlässige Ladeninhaber biete auf kleinem Raum eine Grundversorgung mit Lebensmitteln an, die er auf Wunsch auch nach Hause liefere.

Auch das Alter des 70 Jahre alten Behelfsgebäudes jedenfalls sei kein Grund, es abzureißen, zumal keine schweren baulichen Mängel erkennbar seien. Vor den möglicherweise anfallenden Bauarbeiten graut es Günther Steck bereits jetzt. Dann nämlich sei erstens die Grundversorgung durch den Laden nicht mehr da. Außerdem würden Baumaterial und Baumaschinen auf dem ohnehin engen Grundstück den Zugang zu den Häusern der Straße erschweren, glaubt er.

„Der Laden ist okay, wie er ist“, sagt eine Anwohnerin

Andere Einwände gegen das Projekt hat Merryl Zepf. Sie und ihre Mann Manfred wohnen auf dem Haigst in einem Haus, das Teil eines denkmalgeschützten Ensembles ist. „Als wir eingezogen sind, hat die Stadt gesagt, dass unser Ensemble von der Stadt aus sichtbar bleiben müsse, weil der Haigst sozusagen den Abschluss der Stadt bildet“, berichtet Merryl Zepf. Durch den Bau eines dreistöckigen Gebäudes wäre die Sicht jedoch erheblich eingeschränkt. Die Notwendigkeit für einen neuen Laden und ein Café sieht sie nicht. „Der Laden ist okay, wie er ist. Herr Bati macht seine Sache wunderbar“, sagt Zepf. Und ob Touristen und Radler ein erweitertes Angebot bräuchten, bezweifelt sie auch.

Große Sorgen macht sich unterdessen Ute Franke. Die 77-jährige wohnt ebenfalls direkt am Haigst. Die vielen hochbetagten Menschen würden durch einen Neubau ihren sozialen Treffpunkt verlieren, befürchtet sie – aber nicht nur das. „Ich habe die Sorge, dass sich danach kein Pächter findet und die Nahversorgung zusammenbricht“, sagt Franke. Renovierungsbedürftig sei das Gebäude schon, findet sie, sogar dringend. Doch im Falle eines Neubaus müsste der jetzige Betreiber des Ladens weitermachen. „Ich schätze den Service von Herrn Bati sehr“, beteuert Franke.