Der Geistheiler und seine Anhänger: In der Nachkriegszeit setzten viele ihre Hoffnungen auf Bruno Gröning, von dem angeblich ein Heilstrom ausging. Foto: z/Bruno-Gröning-Freundeskreis

Bruno Gröning wollte mit seinen in Stanniol verpackten Zehennägeln heilen. Nun zeigen seine Anhänger in Stuttgart-Degerloch einen Film über den Geistheiler. Die Evangelische Landeskirche warnt allerdings davor.

Degerloch - Der Geistheiler verpackte abgeschnittene Finger- und Zehennägel in Stanniolkugeln oder auch – weil angeblich besonders wirksam – seine Samenflüssigkeit. Bruno Gröning erklärte, dass diese Kugeln den Heilstrom enthielten, der von ihm ausgehe. Dieser sei in der Lage, Krankheiten zu besiegen, verkündete Gröning in den 1950er Jahren und machte nach Meldungen über gelungene Heilungen in der Nachkriegszeit Furore. 1959 starb er im Alter von knapp 53 Jahren an Magenkrebs.

Der Bruno-Gröning-Freundeskreis (BGF) zeigt am Sonntag, 23. April, den Film „Das Phänomen der Heilung“ aus dem Jahr 2003 bei der Tempelgesellschaft an der Felix-Dahn-Straße. Der Dokumentarfilm handelt von der Lebensgeschichte Bruno Grönings. Am Samstag, 28. Mai, ist dann am selben Ort „Das Phänomen der Heilung“ aus dem Jahr 2015 zu sehen. Jener Film will deutlich machen, wie der Heilstrom auch nach dem Tod Grönings 1959 segensreich gewirkt hat.

Unabhängige Ärzte kommen nicht zu Wort

Ärzte kommen in dem Beitrag zu Wort, die der Medizinisch-Wissenschaftlichen Fachgruppe des BGF angehören. Sie haben die Krankengeschichte von 20 Personen dokumentiert. Diese sind angeblich durch Grönings Heilstrom wieder gesund geworden. Die Meinung unabhängiger Ärzte wird dagegen nicht in dem Film zitiert. Das würde den Zuschauern auch gesagt, sagt Dieter Häusler vom BGF. Ebenso würde deutlich gemacht, dass nicht jeder Kranke mithilfe der postulierten Kraft des Heilers sein Leiden überwinden könnte. „Wir machen keine falschen Versprechungen.“

Die Heilkraft von Bruno Gröningsoll nach seinem Ableben über Fotos des Geistheilers wirken. Sie dienen wie einst die mittlerweile nicht mehr vorhandenen „Gröningkugeln“ mit den sterblichen Überresten des Wunderheilers als angebliche Antennen für den Heilstrom. Häusler zeigt Verständnis dafür, dass solche Aussagen gerade auf viele Mediziner unglaubwürdig wirken. „Alles, was nicht in einer Doppelblindstudie erwiesen wird, wird von der Schulmedizin erst einmal kritisch gesehen“, meint er.

Die Weltanschauungsbeauftragte der Evangelischen Landeskirche, Annette Kick, mahnt bei der Einschätzung der Filmvorführungen zur Vorsicht: „Nach unserer Auffassung ist diese Organisation mit ihrem Verständnis von Krankheit und Heilung und der Behauptung, es gebe keine unheilbaren Krankheiten, als problematisch einzustufen“, teilt sie mit.

Kick verweist auf die Einschätzung der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) in Berlin. Diese beschreibt den Bruno-Gröning-Freundeskreis als Organisation, die bei Kranken utopische und übersteigerte Heilungserwartungen wecken würde. „Die Behauptung des BGF, dass es keine unheilbaren Krankheiten gebe, ist für Heilungssuchende eine gefährliche Irreführung“, heißt es auf der Internetseite der EZW.

Kranke, bei denen der vermeintliche Heilstrom keine Wirkung zeige, würden durch die Rhetorik des Freundeskreises unter erheblichen Druck gesetzt. Dieser könnte dazu führen, dass notwendige medizinische Hilfe abgelehnt würde. Das könne lebensgefährlich sein, warnt die EZW.

Nicht nach wissenschaftlichen Regeln geprüft

Dieter Häusler weist die Kritik derweil zurück. Dass auf dem Flyer für die Filmveranstaltung in Degerloch mit dem Spruch geworben würde: „Es gibt kein Unheilbar. Gott ist der größte Arzt“, hält er für legitim. Er verweist auf die nachgewiesene Wirkung von Placebos, also Scheinmedikamenten ohne Wirkstoff, in der Medizin. „Wenn ich ein Arzt wäre, würde ich einen schwerkranken Patienten lieber auf eine noch so geringe Heilungschance aufmerksam machen, statt ihm zu sagen, dass diese völlig unwahrscheinlich ist“, meint er.

Dies ist eine Argumentation, die wiederum die EZW problematisch findet. Sie erklärt die in den Filmbeiträgen erwähnten Heilungen zu subjektiven Erfolgsberichten, die nicht nach wissenschaftlichen Regeln geprüft worden seien.

Karin Klingbeil ist bei der Tempelgesellschaft in Degerloch für die Vermietung der Räume zuständig. Sie betont, dass die freie christliche Gesellschaft an der Felix-Dahn-Straße nichts mit den Inhalten des BGF zu tun habe. „Wir identifizieren uns nicht mit der Gemeinschaft“, sagt sie.

Aus ihrer Sicht seien die Inhalte, die der BGF vertritt, allerdings nicht problematisch genug, um die Vermietung zu überdenken. „Das würden wir tun, wenn es um Hasspredigten gehen würde.“ Intensiv habe sich die Tempelgesellschaft aber nicht mit den Inhalten befasst, für die der BGF steht. Es gebe nun einmal Leute, die sich von Wunderheilern unterstützt fühlen, meint Klingbeil. „Solange nichts Verbotenes geschieht, sehen wir keinen Handlungsbedarf“, betont sie.