Seit knapp zehn Jahren werden 20 Kita-Kinder und 120 Schüler in Ex-Asylbauten in Stuttgart-Degerloch betreut. Doch es ist klar, dass die Freie Aktive Schule dort nicht bleiben kann. Die Verantwortlichen befinden sich deshalb in einem Wechselbad der Gefühle.
Stuttgart-Degerloch - Vor dem Fenster stürmt es. Der Himmel wird schwarz, ein Schauer geht nieder, der ebenso abrupt wieder endet. Das Wetter ist symbolisch für den Gemütszustand von Gabriele Groß und Tina Unseld, wenn sie an die Zukunft des Hauses denken, in dem sie sitzen – der Freien Aktiven Schule (FAS) in Degerloch. Die hat im Sommer von der Stadt die Zusage erhalten, fünf weitere Jahre am Standort bleiben zu können, wo sie laut Bebauungsplan eigentlich gar nicht sein dürfte. Seit knapp zehn Jahren werden 20 Kita-Kinder und 120 Schüler in Ex-Asylbauten im Sportgebiet Hohe Eiche betreut. Derzeit wird nach einem neuen Platz gesucht, und seither befinden sich Gabriele Groß, die FAS-Geschäftsführerin, und Tina Unseld, die Leiterin Schulneubau, im Wechselbad der Gefühle. „Es hat schon ziemlich an den Nerven gezerrt“, sagt Tina Unseld.
Die Eltern sind unruhig geworden
Was die Frauen meinen, ist die hitzige Debatte. Während Stadt und Gemeinderat diverse Standorte in Sillenbuch ausgemacht haben, ist der Bezirksbeirat mit keinem davon einverstanden. Gegen den Neubau auf einem Spielareal an der Bernsteinstraße stemmt sich eine Anwohnerinitiative. Die Alternative, ein Acker in der Nähe, lehnen die örtlichen Politiker ab und fordern eine Bürgerbeteiligung. Dass die Sillenbucher im Juli aus der Zeitung erfahren mussten, dass sich Schule und Stadt bereits seit dem Frühjahr austauschen – „Wir waren schon mit allen Ämtern am Tisch“ (Groß) –, hatte der Debatte einen schlechten Start beschert. Und die FAS? Die sitzt immer zwischen den Fronten. „Wir kommen nicht aus der Politik und wissen nicht, wer wann informiert werden muss“, sagt Gabriele Groß. Von allen Seiten werde zwar versichert, dass keiner etwas gegen die Schule an sich habe. Dennoch findet sie: „Wir sind zum Spielball geworden.“
Gabriele Groß betont, für alle Bedürfnisse Verständnis zu haben, und der Verwaltung rechnet sie hoch an, „dass sie uns unterstützen will“. Dennoch stellt das Hü und Hott die Schule vor Schwierigkeiten. Die Eltern seien unruhig. Sanierungen, von denen man gehofft habe, sie sich durch einen Umzug sparen zu können, stünden nun doch an. Tina Unseld spricht von einer sechsstelligen Summe, die zum Beispiel in Fenster und in das Dach investiert werden müsse. Und auch wenn dem Schulteam bereits Ideen vorschweben, wie es Pädagogik und Architektur besser in Einklang bringen könnte, ohne das Grundstück zu kennen, ergebe eine vertiefte Planung keinen Sinn. Fünf Jahre, die der FAS für den Neuanfang bleiben, seien bei Bauvorhaben schnell rum. „Letztlich tickt die Uhr. Irgendwo müssen wir auch mal hindürfen“, sagt Tina Unseld.
Gelassenheit in der Misere
Wohin, da geben sich die beiden Frauen bescheiden. Naturnah solle der Standort sein, gern etwas abseits, damit sich keiner gestört fühle. Die 6000 Quadratmeter, die man jetzt habe, könnten aus Sicht von Tina Unseld unterschritten werden, wenn man Synergien bilden könne, etwa mit dem verwilderten Bolzplatz, den sie und ihre Chefin an der Wiese neben den Heumadener Asylunterkünften besichtigt haben. Auch dieser Standort ist im Rennen und wird sowohl vom Sillenbucher Bezirksbeirat als auch von der Verwaltung in die engere Wahl genommen. Eine Streuobstwiese an der Kemnater Straße hat das FAS-Team ebenso im Blick. Ideen gibt es viele, aber nur einen Wunsch. „Klarheit, damit wir arbeiten können“, sagt Gabriele Groß.
Sie versucht, die Misere mit einer gewissen Gelassenheit zu sehen. Seit 2002 hat das Gründungsmitglied der reformpädagogischen Einrichtung Umzüge von Hedelfingen über Rohracker nach Sillenbuch und 2009 eben nach Degerloch mitgemacht. „Eigentlich sind wir immer auf der Suche. Ich kenne die Schule nicht anders“, sagt Gabriele Groß müde lächelnd. Ob sie positiv ins Jahr 2019 gehe oder eher abwartend? Wieder lächelt sie. „Positiv abwartend.“