Strahlt zu Recht: Philip Kaltenborn hat ein erfolgreiches Jahr hinter sich. Foto: privat

Der Cannstatter Ruderer Philip Kaltenborn blickt auf ein erfolgreiches Jahr zurück. Seine sportliche Zukunft ist jedoch ungewiss.

Die vergangenen zwölf Monate waren medaillenträchtig für Philip Kaltenborn. Der 22-jährige Athlet des Stuttgart-Cannstatter Ruderclubs wurde in der Altersklasse U 23 Welt- und Europameister über 2000 Meter, Europameister und Vize-Weltmeister über 500 Meter – jeweils im Ergometerrudern. Auf dem Wasser gewann er mit dem Leichtgewichts-Doppelvierer den EM-Titel und mit dem Doppel-Zweier Silber bei den europäischen Hochschulmeisterschaften. Höhepunkt des Medaillensammelns war aber Ende August im kanadischen St. Catharines: Dort holte er sich mit dem Leichtgewichts-Doppelvierer WM-Gold.

 

Erfolge, die für Kaltenborn bis vor drei Jahren außerhalb seines Vorstellungsvermögens lagen. Er rudert zwar schon seit seinem 13. Lebensjahr, aber nationale oder geschweige denn internationale Erfolge heimste er keine ein. Dies änderte sich nach seinem Umzug von Dresden in die baden-württembergische Hauptstadt. Grund: „Stuttgart ist eine der wenigen Städte, wo ich den Bachelor in Luft- und Raumfahrttechnik machen kann“, sagt Kaltenborn, der auf der Suche nach einem Verein in Cannstatt gelandet ist. Glück für ihn. Über ein Projekt des dortigen Rudervereins entwickelte sich nicht nur die Leistung, sondern auch der Erfolgshunger – und irgendwann kam auch der Deutsche Ruderverband an dem Youngster nicht mehr vorbei.

So sicherte er sich 2023 einen Platz im Leichtgewichts-Doppelvierer und wurde prompt mit diesem Europameister. Die Hälfte der Besatzung trat vor kurzem auch bei der WM in Kanada mit dem klaren Ziel an, Weltmeister zu werden. „Die Kanadier waren im Finale zwar hartnäckigere Kontrahenten als die Italiener bei der EM, dennoch haben wir uns recht souverän behauptet“, sagt Kaltenborn, der an „Sitzplatz zwei“ so etwas wie der Motor des Bootes ist. Er ist der Mann, der für die nötige Power sorgen soll.

Mit 1,83 Meter und rund 71 Kilogramm verfügt er über die nötige Physis, um das Leichtgewichtsboot – die vier Ruderer dürfen im Schnitt jeweils nur 70 Kilogramm auf die Waage bringen – auf Erfolgskurs zu bringen. Jedoch: Der Weltmeister Kaltenborn hat Gewichtsprobleme, die seine weitere Ruderkarriere gefährden. Dabei bringt er mitnichten zu viel auf die Waage. Im Gegenteil – er ist plötzlich zu leicht. Warum? In der kommenden Saison ist er raus aus der U 23, und in der offenen Männerklasse findet das Leichtgewichtsrudern sozusagen nicht mehr statt, nachdem sämtliche leichten Bootsklassen aus dem olympischen Programm gestrichen worden sind. Dementsprechend schicke der deutsche Ruderverband vermutlich auch keine Boote mehr zu Regatten. Er habe die Förderung komplett eingestellt, so Kaltenborn, der für diese Entscheidung nur Unverständnis übrig hat: „Eine komplette Variante des Rudersports, die spannende Rennen hervorbringt und bei der nicht nur die genetischen Voraussetzungen für den Erfolg, sondern auch die Technik ein wichtiger Faktor ist, wird tot gemacht“, schimpft er. Schon die zweiwöchige Reise zur WM nach Kanada wurde vom Verband laut Kaltenborn nicht unterstützt. „Die Kosten haben sich auf 10 000 Euro belaufen, die ich mit Unterstützung des Vereins und von Sponsoren aufgebracht habe“, berichtet er.

Nun muss er also in der offenen Männerklasse – die Konkurrenten bringen es durchaus auch mal auf eine Körpergröße von zwei Metern und 100 Kilogramm – versuchen, die Defizite irgendwie zu kompensieren. „Ob ich es schaffe, mit Krafttraining auf 85 Kilo zu kommen, weiß ich nicht“, sagt er. Probieren wolle er es, aber nicht um jeden Preis. „Ich verdiene mit meinem Sport kein Geld, deshalb versuche ich es, solange ich es noch mit dem Studium oder Beruf vereinbaren kann.“

Aber immerhin: Die zwei Weltmeister- und drei Europameister-Titel kann ihm niemand mehr nehmen.