Auf dem Friedhof in Birkach wird derzeit gearbeitet. In den kommenden Wochen soll auch das rot-weiße Flatterband abgenommen werden. Es dient dem Vogelschutz. Foto: Julia Bosch

Bürger und Lokalpolitiker waren entsetzt über die halblebige Verglasung der Aussegnungshalle in Stuttgart-Birkach. Jetzt passiert etwas. Doch glücklich sind damit immer noch nicht alle.

Birkach - Der Protest hat gewirkt, zumindest teilweise. Seit die Aussegnungshalle auf dem Birkacher Friedhof teilweise verglast wurde, hatten sich Lokalpolitiker und Bürger anhaltend über das Ergebnis beschwert. Für den Umbau des Unterstands hatte der Gemeinderat 2017 insgesamt 60 000 Euro freigegeben. Doch die eingesetzten Glasscheiben, die Trauernde eigentlich vor Wind und Wetter schützen sollten, reichen nicht von oben bis unten, außerdem ist die Front nach wie vor offen. Und ein rot-weißes Flatterband soll verhindern, dass Vögel an die Scheiben fliegen und sterben. Die Birkacher sind mit diesem Provisorium gar nicht glücklich: Sie hatten erwartet, dass der Unterstand zu allen Seiten mit Glaswänden versehen – oder eine ganz andere Lösung gefunden wird. In der vergangenen Bezirksbeiratssitzung haben die Lokalpolitiker aus Birkach deshalb einen fraktionsübergreifenden Antrag formuliert, in dem sie einen sofortigen Baustopp auf dem Friedhof forderten.

Jetzt bessert die Stadt doch nach: Vor wenigen Tagen wurde an der Halle die erste Glasscheibe mit einer sogenannten Schutzfolie für Vögel beklebt. Diese artenschutzrechtliche Maßnahme wurde laut Stadt von einem Tierökologen empfohlen. „Um zu prüfen, wie die Folie wirkt, haben wir vorerst nur eine Scheibe beklebt. Nun werden die weiteren Scheiben folgen. Die Folie ist bereits bestellt und wird voraussichtlich in drei bis vier Wochen eintreffen. Dann können wir sie anbringen“, sagt eine Sprecherin der Stadtverwaltung. Laut Stadt kosten die Folien für den Vogelschutz rund 1500 Euro. Außerdem wurde die Halle nach unten hin abgedichtet. „Bürgerinnen und Bürger haben sich gewünscht, die Halle zum Boden hin zu verschließen und so einen Windschutz zu ermöglichen“, sagt die Sprecherin. 2200 Euro haben die Fußbleche die Stadt gekostet. Nach oben hin werde die Halle jedoch nicht vollständig verschlossen werden: „Die Glasscheiben reichen mit ihren 2,10 Metern über die meisten Besucher der Halle und schützen sie dadurch vor Wind.“

2200 Euro für Fußbleche

Der frühere Stuttgarter Wirtschaftsbürgermeister und Birkacher Rolf Lehmann kämpft seit Jahren für eine würdige Feierhalle. Er ist dankbar, dass jetzt doch noch nachgebessert wird. „Für eine Unterstehhalle ist das recht gut“, meint er. Ein Problem sieht er aber nach wie vor darin, dass auch die Frontseite des Unterstands Richtung Westen verschlossen werden müsste, um die Trauergäste vor Wind und Wetter zu schützen. Der Unterstand ist an die Leichenhalle angedockt – und dieses kleine Natursteinhaus ist denkmalgeschützt. „Man muss nicht nur an den Denkmalschutz denken, sondern auch an den Menschenschutz“, sagt Rolf Lehmann. „Ich halte das alles für verrückt.“

Laut Stadt muss Front offen bleiben

Laut Stadt gibt es mehrere Gründe, warum der Unterstand nach Westen hin offen bleibt: „Die Halle an allen Seiten zu schließen, ist nicht möglich. Dagegen spricht nicht nur der Denkmalschutz, sondern auch das Baurecht und bauphysikalische Gründe“, sagt die Sprecherin. Außerdem würde sich auch der Status der Feierhalle ändern, würde sie vollständig geschlossen werden: „Dann würden andere baurechtliche Vorschriften gelten.“

Rolf Lehmann lässt dieses Argument nicht gelten. „Ich habe mich selten in meinem Leben so für die Stadt geschämt“, sagt er. Wobei er durchaus einräumt, dass Birkach keine so massive und große Feierhalle brauche wie Friedhöfe in anderen Bezirken. „Wir sind eben der zweitkleinste Stadtbezirk Stuttgarts. Und auf dem Friedhof in Birkach fanden 2018 lediglich 37 Bestattungen statt – und davon nur neun in der Unterstehhalle.“ Die übrigen 28 Bestattungen wären in Kirchen, direkt am Grab oder bei Bestattungsfirmen ausgerichtet worden, hat er recherchiert. „Wer eine richtige Feierhalle möchte, kann ja auch auf andere Stadtbezirke ausweichen“, sagt er.

„Das ist bizarr und unerträglich“

Auch Günter Seyfferth, ein weiterer Birkacher Bürger, bekräftigt, dass sich die Bewohner des Stadtbezirks nichts Großes unter der Feierhalle vorgestellt hätten. Der jetzige Zustand aber sei „bizarr und unerträglich“, sagt er: „Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Verwaltung noch nie ernsthaft die Möglichkeiten hinsichtlich eines Neubaus untersucht hat.“ Stattdessen würde die Verwaltung mit den Nachbesserungen „mit der Verschwendung von Steuergeldern fortfahren“. Das Bürgervotum aus den vergangenen Jahren sei von Anfang an ignoriert worden, argumentiert er. Schließlich hätten die Birkacher eine würdevolle Trauerhalle verlangt und keine Teilverglasung des bestehenden Provisoriums.

Die Stadt betont unterdessen, dass es sich bei den derzeit stattfindenden Arbeiten an dem Unterstand um „zusätzliche Maßnahmen“ und nicht etwa um „Nachbesserungen“ handle. Allerdings räumt die Sprecherin ein, dass zumindest die Fußbleche in den ursprünglichen Planungen nicht vorgesehen waren, sondern aufgrund des Wunschs von Bürgern und dem Bezirksbeirat angebracht worden seien.