Bei einer Exkursion nach Madeira im Mai dieses Jahres stürzte Margot Jäger und zog sich mehrere Brüche zu. Aus diesem Grund benötigt sie eine Duschkabine mit niedrigem Einstieg. Foto: Julia Bosch

Immer wieder fragt sie ihre Bekannten, ob sie bereits müffelt: Eine 89-jährige Frau aus Stuttgart-Asemwald wartet seit Sommer auf den vollständigen Einbau einer barrierefreien Dusche – und kann seitdem nur Katzenwäsche betreiben...

Asemwald - Das Jahr 2017 war kein gutes Jahr für Margot Jäger (89). Angefangen hatte alles an Christi Himmelfahrt im Mai. Die Biologin und praktizierende Heilpraktikerin war unterwegs zu einer Exkursion auf der portugiesischen Insel Madeira. Bei einem Zwischenstopp in Lissabon stürzte sie unglücklich und zog sich mehrere Brüche zu: „Beim Abendessen im Hotel ging ich zum Buffet, um mir einen Nachtisch zu besorgen – und auf dem verspiegelten Marmorboden rutschte ich aus.“

Sie landete in einem Krankenhaus in Lissabon, wo sie sich jedoch nicht gut betreut fühlte. Insgesamt 15 000 Euro kostete es sie, um nach Echterdingen geflogen und von dort ins Stuttgarter Marienhospital gebracht zu werden. Noch in derselben Nacht wurde Margot Jäger operiert. Vier Wochen später kam sie in die Reha – und im Juli kehrte sie zum ersten Mal in ihre Wohnung in der Wohnstadt Asemwald zurück.

Im Bad kriechen Käfer herum

Dann der Schock: „Bereits als ich die Wohnung betrat, roch ich, dass etwas nicht stimmte“, erinnert sich Jäger. Der Wasserzulauf war gebrochen, in ihrem Bad befanden sich zwei große Löcher. „Jeden Abend krochen Käfer und Schmetterlinge in meinem Bad herum“, berichtet sie. Ihr wurde klar, dass die Badewanne erst einmal nicht mehr zu gebrauchen sein würde. Sie entschloss sich, im Rahmen der Bauarbeiten in ihrem Bad auch gleich eine einfach zugängliche Duschkabine einbauen zu lassen. Durch ihr Alter hatte sich die 89-Jährige schon länger schwergetan, in die hohe Badewanne einzusteigen – nach dem Unfall war es ihr dann gar nicht mehr möglich.

„Anfang August nahm ich erstmals Kontakt mit einer Stuttgarter Haustechnikfirma auf“, berichtet Margot Jäger. Am 6. September erhielt sie ein Angebot der Firma, drei Tage später sagte sie zu. Am 9. Oktober wurde die alte Badewanne ausgebaut, drei Tage später sollte die neue Duschwanne geliefert und montiert werden“, berichtet Jäger. „Als sich bis 10 Uhr nichts rührte, rief ich bei der Firma an und erfuhr, dass beim Verladen die Wanne wohl vom Lastwagen gefallen und zerstört worden sei.“

Margot Jäger ist wütend auf die Haustechnikfirma

Mitte November kam dann endlich die neue Duschwanne, wenige Tage später wurden auch die Fliesen verlegt, die Löcher in der Wand geschlossen, der Schrank versetzt, der Badewannensitz und der Handlauf montiert. Was jedoch bis heute fehlt, ist die Glaswand der Duschkabine. Ohne die kann Margot Jäger nicht duschen, denn durch den niedrigen Einstieg würde sie das gesamte Bad unter Wasser setzen, sagt sie.

Zwar hat die Heilpraktikerin in ihrer Praxis, die sich direkt neben der Wohnung befindet, eine Badewanne – in diese kann sie seit ihrem Unfall aber nicht mehr steigen. Aus diesem Grund begnügt sich die 89-Jährige seit Sommer mit Katzenwäsche. „Ich frage immer wieder meine Bekannten, ob ich müffele – was diese verneinen.“ Trotzdem ist Margot Jäger nicht mehr gut auf die Stuttgarter Haustechnikfirma zu sprechen: Sie glaubt, dass die Firma nur bei möglichst preiswerten Händlern Ware bestelle – unabhängig davon, wie lange es dauere, die Ware zu liefern: „Auf die Belange der Kunden wird nicht geachtet“, klagt sie. „Die Firma weiß, dass ich einen folgenschweren Unfall hatte und mir seit Monaten an einem Waschbecken mit Katzenwäsche behelfen muss.“

Handwerkskammer: Wartezeiten sind nicht unüblich

Der Chef der Stuttgarter Haustechnikfirma weist diese Kritik zurück: „Wir können eine Duschwand erst dann einbauen, wenn der Fliesenleger da war.“ Er könne nichts dafür, dass die Handwerker ausgelastet seien und es zu längeren Wartezeiten komme. „Außerdem haben wir Frau Jäger angeboten, einen Vorhang kostenfrei aufzuhängen, so dass sie trotz fehlender Duschwand duschen kann.“ Dies habe sie jedoch abgelehnt. Generell sei eine Wartezeit von drei Monaten nicht unüblich, meint der Firmenchef. Und überhaupt sei er immer überzeugt gewesen, dass Margot Jäger in der Badewanne in der Praxis duschen könne – was diese verneint.

Auf Nachfrage bei der Handwerkskammer Region Stuttgart erfährt man, dass die Wartezeit von Margot Jäger nicht unbedingt unüblich ist: „Die mittlere Auftragsreichweite für Handwerker beträgt mittlerweile fast neun Wochen“, steht in dem Konjunkturbericht der Handwerkskammer für das dritte Quartal 2017. Die Wartezeiten haben mit dem Fachkräftemangel im Handwerkerbereich zu tun: „Bei einer Umfrage haben wir festgestellt, dass 77 Prozent der Betriebe trotz großer Bemühungen Probleme haben, geeignetes Personal zu finden“, sagt Julia Behne aus der Stabsstelle Politik der Handwerkskammer. Trotzdem habe sie Verständnis für den Frust von Kunden, wenn diese einen Handwerker benötigten: „Für ganz dringende Fälle gibt es die 24-Stunden-Notdienste der Elektro- und Sanitärbranche“, sagt Behne.

Für Margot Jäger aus dem Asemwald besteht nun jedoch Hoffnung auf ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk – und auf ein Ende der Pechsträhne: Laut dem aktuellsten Stand soll die Glaswand an diesem Freitag, 22. Dezember, montiert werden.