Im Juni 1981 erlebt die Freilichtbühne Killesberg mit dem Konzert von Mikis Theodorakis ihr Comeback. Foto: fmann und Kraufmann/Rudel/Lichtgut

Das Kleinod auf dem Killesberg ist ein Baudenkmal und schien mehrfach am Ende: Seit 1939 ist die Freilichtbühne ein Ort der Emotionen. Unser Stuttgart-Album erinnert an besondere Konzerte, an oft schwierige Zeiten und an mehrere Comebacks.

Stuttgart - Der Ballettkritiker Hartmut Regitz, der über viele Jahre der Kulturredaktion der Stuttgarter Nachrichten angehörte und jetzt in Berlin lebt, besucht auf Heimaturlaub immer wieder gern den Killesberg. Als er zuletzt auf Stuttgarts Höhen spazierte, fiel er fast Helge Schneider in die Arme. Dieser probte auf der Freilichtbühne für seinen Auftritt am Abend. Prompt kamen bei Regitz schöne Erinnerungen hoch. Schon als Kind hatte er diese kleine, feine Arena im Park unter freiem Himmel besucht, wenn etwa die Stars des SDR-Kinderfunks auftraten. Das Zeitungsgeschichtsprojekt „Stuttgart-Album“, so schlug er vor, könne doch mal die wechselvolle Historie eines Kleinods beleuchten, das unter Denkmalschutz steht.

Der heutige OB von Pforzheim tanzte mit Friedemann Vogel

Hartmut Regitz steuert noch eine Erinnerung bei: „In jeder Hinsicht einmalig“ bleibt ihm der Auftritt von Vladimir Malakhov an diesem Ort unvergessen: „Er tanzte den Apollo in der Choreografie von Alex Ursuliak und musste das Finale, wenn ich mich recht erinnere, dreimal wiederholen.“  Mit dabei seien die  Schüler der John-Cranko-Schule gewesen, unter ihnen Friedemann Vogel und Peter Boch, der heutige OB von Pforzheim.

Dort, wo heute die Freilichtbühne steht, befand sich seit 1925 das erste Waldheim der Straßenbahner. Für die  Reichsgartenschau 1939 musste das Gebäude abgerissen werden. Man baute an dieser Stelle einen Vorführgarten mit Rasen, auf dem sich mehrere Bäume befanden. Der Regisseur Oswald Kühn erkannte das Potenzial dieser Stätte für die Kultur. Für sein Stück „Dichter und Bauer“ ließ er in dieser Idylle eine Bühne  bauen. Premiere war im Jahr 1943.

Im Bopserwald las Friedrich Schiller seine „Räuber“ vor

In Stuttgart war Sommertheater unter freiem Himmel beliebt. Im Stadtgarten gab es eine Freilichtbühne, aber auch im Bopserwald, ungefähr dort, wo Schiller seine „Räuber“ vorgelesen hat.  Die Stuttgarter Zeitung hat am 15. Juli 1955  den Erfolg der Aufführungen im Freien so erklärt: „Zum musischen Hang des Stuttgarters gesellte sich die stille Liebe, im Grünen zu verweilen, ob im  Biergarten im Tal oder in den Höhen.“ 

Im Krieg war nichts mehr möglich auf der Killesberg-Bühne. Danach kehrte die Kultur zunächst mit Operetten zurück. Beteiligt am Neubeginn war ein junger Mann, der spätere Verkehrsdirektor Peer-Uli Faerber.

Zur Deutschen Gartenschau  (dem Vorläufer der Bundesgartenschau) im Jahr  1950 sind „Das Weiße Rössl“ und das „Schwarzwaldmädl“ gespielt worden. Aber auch der Wilde Westen tobte im Stuttgarter Norden: Regisseur  Max Weber brachte,  ebenfalls im Gartenschau-Jahr 1950,  Karl Mays Helden auf die Killesberg-Bühne.  Siegurd Fitzek spielte den Winnetou und Hellmut Lange den Old Shatterhand – beide sind später zu bekannten TV-Stars geworden.

Zur Iga bekam die Freilichtbühne ein Dach, das danach verschwinden musste

Die Begeisterung der 1950er Jahre verflog  allmählich auf den Höhen Stuttgarts. Das Killesberg-Theater drohte zu verfallen. 1965 stellte die Fraktion FDP-DVP eine Gemeinderatsanfrage. „Der Zustand der Freilichtbühne ist derart schlecht, dass die Benutzung weder Veranstaltern noch den Besuchern zugemutet werden kann“, hieß es darin. Aufgefordert wurde das Bürgermeisteramt, der  „einmalig schönen Lage“ und ihren „vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten“ zu entsprechen und mit den „Instandsetzungsarbeiten“ zu beginnen.

Die Jahre, die folgten, waren ein Auf und Ab für die Freilichtbühne. Eines von mehreren Comebacks dieses Theaters ist 1981 mit Mikis Theodorakis gefeiert worden. Es regnete heftig, doch die griechische Sonne strahlte bis tief in die Herzen des Publikums.

Um sich vor Regen zu schützen, wurde zur Internationalen Gartenbauausstellung 1993 ein Dach gebaut, das nicht bleiben durfte. Der Traum von Michael Russ, nach dem Vorbild der Berliner Waldbühne in Stuttgart ein „Waldbühnle“ zu etablieren, scheiterte am Geld und am Denkmalschutz. Die Kosten für den Unterhalt der Zeltumspannung seien zu hoch, fand man im Rathaus.

Wolfgang Niedecken tritt am 7. September auf dem Killesberg auf

Auf der Facebook-Seite des Stuttgart-Albums erinnern sich viele Leserinnen und Leser an ihre Konzerthöhepunkte auf der Freilichtbühne, die sich heute „Spardawelt“ nennt, weil von der Spardabank mitfinanziert. Von Rosenstolz bis Dieter Thomas Kuhn, von Status Quo bis Jethro Tull – viele Spitzenkonzerte sind unvergessen, romantische Momente im Grünen. In der Pandemie erlauben Open-Air-Auftritte die Rückkehr der Kultur. Wolfgang Niedecken etwa tritt am 7. September hier auf – an einem denkmalgeschützten Ort der großen Gefühle.

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