Das Teehaus im Weißenburgpark war mal ein Südmilch-Pavillon. Foto: Sammlung

Bei der Wahl zum romantischsten Ort von Stuttgart wird das Teehaus regelmäßig auf Platz eins gewählt. Die Freude, diese schöne Freiluftstätte zu besuchen, wird nun aber getrübt – ein Nachbar legt sich quer. Wir blicken auf die Historie dieses Kleinods zurück.

Was gerade auf erhabener Höhe im Weißenburgpark passiert, erinnert an eine Seifenoper. Ein Nachbar, der sein Domizil oberhalb des Teehauses im Jahr 2016 bezogen hat, beschwert sich permanent über angebliche Lärmbelästigungen, die von diesem romantischen Ort ausgehen würden. OB Frank Nopper spricht von „schweren juristischen Geschützen“, mit denen der Anwohner erreicht hat, dass auch in diesem Jahr dieser wunderschöne Platz an der Sonne ohne Außenbestuhlung auskommen muss.

 

Dr. Thompsons Seifenpulver machte den Stuttgarter Fabrikanten reich

Noch kennt diese Seifenoper kein Happy End. Das Thema Seife passt an diesen Ort: Der 1848 in Stuttgart geborene Unternehmer Ernst von Sieglin verdiente vor über 100 Jahren sein Geld mit der Herstellung und Vermarktung von Dr. Thompsons Seifenpulver. Mit dem Chemiker Richard Thompson war es ihm in England gelungen, eine pulverisierte Seife zu entwickeln, die zu einem Verkaufsschlager geworden ist. Die beiden eroberten die Herzen der Frauen, weil ihr Seifenpulver für „blendend weiße Wäsche, auch ohne Bleiche“ stand, sodass man sich das strapaziöse Bürsten und Reiben der Wäsche in der Lauge sparen konnte.

Daheim in Stuttgart ließ der Fabrikant, der sich auch einen Namen als Altertumsforscher und Kulturmäzen machte, im Jahr 1913 das Teehaus unweit seiner Weißenburg-Villa bauen – als Geschenk an die Berliner Geigerin Alice Borchert, seine Frau. Ernst von Sieglin wurde auch dank seines sozialen Verhaltens verehrt: Er führte den Achtstundentag ein, gewährte den Arbeitern bezahlten Urlaub und gab ihnen in Werkskantinen Mittagessen.

In dem Pavillon traf sich Alice von Sieglin gern mit ihren Freundinnen zum Tee. Generationen später ist daraus ein beliebtes Ausflugslokal geworden, das eine Zeitreise in ein früheres Jahrhundert ermöglicht. Die Deckengemälde im Rokoko-Stil und die Säulenumrandung sind ein architektonisches Highlight, das viele Besucherinnen und Besucher anlockt. Zudem lädt wenige Meter weiter eine Aussichtsterrasse dazu ein, einen traumhaften Panoramablick auf Stuttgart zu genießen.

1926 fotografierte Paul Isenfels Tänzerinnen im Park für das Buch „getanzte Harmonien“.

Was viele nicht wissen: Das Teehaus hieß mal Südmilch-Pavillon – in der dazugehörigen Villa des Fabrikanten Ernst von Sieglin wurde nämlich vor langer Zeit eine Molkekur angeboten. Erst seit 1961 ist der Weißenburgpark für die Öffentlichkeit zugänglich.

Der Name Weißenburg geht auf eine mittelalterliche Burg (Burgstall Weißenburg) der Grafen von Württemberg zurück, die sich an dieser Stelle befand. 1312 wurde die Burg zerstört – es gibt keine Überreste mehr. In den Jahren 1843 und 1844 hat Albert Föhr auf dieser Anhöhe eine Villa im klassizistischen Stil von Albert Föhr erbauen lassen – dazu wurde ein Park angelegt.

Das Gemälde von Paul Berrer von der Villa Weißenburg entstand vermutlich 1898. Foto: Archiv

1898 kaufte Ernst von Sieglin diese Villa, die man inzwischen erweitert hatte. Der neue Eigentümer ließ den Park umgestalten und beauftragte den Architekten Heinrich Henes, das Teehaus sowie den Marmorsaal und einen Tennisplatz zu bauen. Die Sieglins führten wohl ein feudales Leben auf der Weißenburg. Alte Fotografien lassen vermuten, dass es viele lauschige Plätze gab.

1956 haben die Sieglin-Erben den gesamten Besitz an die Stadt Stuttgart verkauft. Für die Bundesgartenschau 1961 wurde der Park in eine öffentliche Grünanlage verwandelt. 1964 wurde die Villa abgerissen. Das „pseudoklassizistische Gebäude“, hieß es damals, sei architektonisch und historisch ohne jeden Wert.

Ernst von Sieglin war übrigens ein Förderer des Nackttanzes. Der Kunstmäzen lud Ausdruckstänzer ein, um in dem noch nicht öffentlich zugänglichen Park mit dem Einsatz des unverhüllten Körpers ihre Gefühlswelt zu erkunden.

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