Diese Ansichtskarte erinnert an die Magd, die der Legende nach 1837 beim Wasserholen am Marktplatzbrunnen den Rock verloren hat. Foto: /Sammlung Harald Frank

Dreimal ist er umgezogen, wurde in eine Grube versenkt und ist nun nach der Sanierung wieder angehoben worden: Der Brunnen des Marktplatzes ist ein Meisterwerk der Eisengusskunst und Ort für eine Legende.

Man hat ihn lange nicht mehr in voller Schönheit gesehen. Der historische Marktplatzbrunnen, der zu den frühen und besonders wertvollen Dokumenten des württembergischen Eisengusses zählt, war hinter Bauzäunen versteckt. Denn es galt, das Kulturdenkmal, das zum Teil bis auf das Jahr 1714 zurückgeht, zu sanieren und obendrein um etwa 80 Zentimeter auf das Niveau des Marktplatzes anzuheben. Das Schmuckstück, das in Stuttgart schon dreimal umgezogen ist, ist zur Aufwertung aus der tiefer gelegten Grube geholt worden. Auch eine neue Wassertechnik hat der Brunnen bekommen. Zum Start des Weindorfs an diesem Mittwoch ist alles fertig geworden.

Der Brunnen besteht aus 16 Eisenplatten, die 1714 gegossen wurden

Sanft plätschernde Brunnen üben seit Ewigkeiten eine Faszination auf Menschen aus. Das Exemplar vom Marktplatz besitzt 16 Eisenplatten, die 1714 in Königsbronn gegossen wurden. Die Platten zeigen den Namenszug des württembergischen Herzogs Eberhard Ludwig, Kriegs- und Jagdszenen sowie allegorische Figuren.

Zunächst stand der heutige Marktbrunnen beim Alten Schloss, auf dem jetzigen Schillerplatz. Dort musste er wegen der Erweiterung des Paradeplatzes weichen. Herzog Karl Eugen schenkte ihn 1761 der Stadt, die ihn für den Markt gut gebrauchen konnte. Das Schmuckstück wurde auf der linken Seite des alten Rathauses aufgestellt.

Um mehr Wasser zur Verfügung zu haben, verbesserte Hofbaumeister Nikolaus von Thouret im Jahr 1804 die Technik – vor allem die Wasserzuleitung – und schuf die hohe Säule inmitten des Brunnens. Sie trägt als Wappen die Stute mit ihrem Fohlen und ist obendrein mit einer Vase gekrönt.

Zum Bau des damals neuen Rathauses im Jahr 1901 musste der knapp zwei Meter hohe Brunnen mit einem Durchmesser von sieben Metern erneut umziehen – nämlich auf den Wilhelmsplatz, wo er sieben Jahrzehnte lang geblieben ist. 1976 kehrte er mit seinen 16 Eisenplatten, die jeweils 750 Kilogramm schwer sind, an den Rand des Marktplatzes in die Nähe des Rathauses zurück, wurde an seinem heutigen Standort tiefer gelegt. Fortan stand der Wasserspender in einer Senke unter Platanen.

Bei der Sanierung, die nun knapp ein Jahr später fertig ist als zunächst geplant, wurde die Grube aufgefüllt und die Fläche rund um den Trog gepflastert. Da der Brunnen unter Denkmalschutz steht, konnte man ihn nicht einfach auseinandernehmen und später zusammensetzen. Das Heben des Brunnens erfolgte durch das hydraulische Anheben des Gerüsts an den vier Sockeln. Die Arbeiten von Strebwerk Architekten waren deshalb sehr kompliziert. Da aus seinen Leitungen unentwegt etwa 20 Grad warmes Quellwasser sprudelt, wird der Stolz der Stadt (zum offiziellen Neustart am Mittwoch kommt auch OB Frank Nopper) selbst im Winter in Betrieb sein.

Der Brunnen ist beliebt als Treff für Dates

Im Internetforum unseres Geschichtsprojekts Stuttgart-Album erinnert sich Leonie Mohr-Veigel: „Der Marktplatzbrunnen war während der Ausbildung mein Lieblingsplatz in der Mittagspause.“ Klaus Justus schreibt: „So richtig geliebt wurde der Brunnen eigentlich nie. In seinem langem Dasein wurde er auf den Wilhelmsplatz verbannt, bei der Rückkehr auf den Marktplatz 1976 leider in einer Grube versteckt und mehr von der Randgruppe unserer Gesellschaft geschätzt. Hoffentlich wird’s jetzt, nachdem er aus dem bisherigen Loch wieder rausgekommen ist, endlich gut.“

Hermann Rommel berichtet, dass er als Kind in den 50er Jahren darin gebadet hat (damals stand er noch am Wilhelmsplatz). Für den User Manuel war der Brunnen einer seiner Dating-Orte. Nach der Online-Verabredung habe man die Frau „schon von weitem beobachten können“. En Schwers schreibt: „In Studienzeiten bin ich mit einem Freund einmal pro Woche in die Mensa in der Musikhochschule gegangen. Danach haben wir uns im Supermarkt einen Zehnerpack Fürst-Pückler-Schnitten gekauft und am Brunnen vollständig verzehrt. Einmal beobachtete uns ein Kind ungläubig, weil wir so viel Eis gegessen haben.“

Die Geschichte vom Rock der Magd

Harald Frank hat eine Ansichtskarte geschickt, die sich auf eine Begebenheit von 1837 bezieht. Damals soll eine Magd beim Wasserholen am Marktbrunnen ihren Unterrock verloren haben. Die Honoratioren der Stadt, die aus dem Rathaus blickten, bekamen wohl Schnappatmung. Ein Gedicht erzählt die Geschichte: „Die Magd ohne Hemd und Unterrock, ging aus zum Wasserholen. Ein Ratsherr sah zum Fenster raus ganz unverhohlen. Und wie den Eimer nimmt die Magd, so fiel ihr Kleid herunter. Drauf sich Herr Rat zu Tode gelacht, und kam zum Grabe hinunter.“

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