Hoch die Krüge! Starke Frauen auf dem Wasen in den 1970ern. Foto: /Burkhard

Es heißt Cannstatter Volksfest, aber Stuttgarter Frühlingsfest – obwohl das eine wie das andere auf dem Wasen stattfindet. Ein Blick in die Historie des Rummels erklärt den Grund für den Ortsunterschied beim Namen. Unser Stuttgart-Album blickt zurück.

Selbst die Veranstalter wissen nicht, in welchem Jahr das erste Frühlingsfest auf dem Wasen als „kleine Schwester“ des Volksfestes gestartet ist. In den 1930ern muss es gewesen sein. Am Samstag wird die 83. Auflage gefeiert.

Nur die Historie des Cannstatter Volksfestes ist hinreichend erforscht. Im Jahr 1818 haben der württembergische König Wilhelm I. und seine Frau Katharina das Volk nach Hungersnöten und Missernten zum Feiern entlang des Neckars eingeladen.

Urahn des Frühlingsfestes ist ein Pferde- und Hundemarkt von 1914

Auf den Plakaten steht die Zahl 83 beim Frühlingsfest. Da es Ausfälle in der Zeit des Nationalsozialismus gab, kann damit nicht auf das Gründungsjahr geschlossen werden. Obendrein ist es historisch nicht verbürgt, ob es wirklich das 83. Fest ist. Irgendwann nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Stadt per Verwaltungsakt festgelegt, das wievielte Frühlingsfest nun gefeiert werde.

Als erwiesen gilt, dass 1914 erstmals im Frühjahr ein Pferde- und Hundemarkt auf dem Cannstatter Wasen stattgefunden hat, wohl der Urahn des Frühlingsfestes. Zwar tat man in der Nachbarschaft bei Daimler alles, um Pferde als Zugtiere überflüssig zu machen, doch lange Zeit noch traf man sich zum Pferdemarkt am Neckar.

Etwa zwei Jahrzehnte später wollte die Stadt für die Schausteller nach den harten Winterwochen ohne Rummelplätze etwas tun. Sie sollten auch im Frühling Gelegenheit zum Geldverdienen erhalten. Und das Volk freute sich übers zusätzliche Krügestemmen. 1934 soll erstmals ein Frühlingsfest auf dem Wasen stattgefunden haben, wenn es stimmt, was der 2007 verstorbene Festwirt Walter Weitmann gesagt hat. Alte Briefe aus den 1950ern zwischen einer Standesorganisation der Schausteller und dem damaligen OB Arnulf Klett belegten dies. Allerdings, so erzählt man sich noch heute, wollte Weitmann damit seinem Intimfeind Willi Stamer eins auswischen.

Die Stadt hatte Stamer für seinen Biergarten einen guten Standplatz gegeben wegen seiner Verdienste um die Wiedereinführung des Frühlingsfestes im Jahr 1955. Da es das Frühlingsfest aber bereits vor dem Krieg gegeben habe, seien Stamers Verdienste nicht allzu groß, argumentierte Weitmann seinerzeit. Auf jeden Fall nicht groß genug, um ihn mit einem guten Platz zu belohnen.

Doch das ist alles lange her. Damals sah man nur selten Dirndl und Lederhosen auf dem Wasen. Das ist dann doch ein jüngeres Phänomen. Denn bis in die 1990er Jahre war es auf dem Volksfest den Kellnerinnen vorbehalten, Tracht zu tragen. „Mein Vater Walter Weitmann hat uns Kinder und das gesamte Personal damit eingekleidet“, erinnert sich Conny Weitmann, die Tochter des Schaustellerurgesteins. Die Frauen im Dirndl mussten aber heftig mitanpacken. Im Weitmann-Zelt lag der Rekord bei „14 Krügen gleichzeitig“.

Der Rekord lag bei 14 Krügen gleichzeitig

In diesem Jahr gibt’s erstmals kleine Zehn-Liter-Fässer auf dem Frühlingsfest, nämlich bei Nina Renoldi in der Königsalm. Die wiegen auch ordentlich, nämlich mit dem Eigengewicht des Fasses mehr als elf Kilogramm, aber nicht so viel wie 14 Krüge.

Wer kennt den Unterschied? Es heißt: Cannstatter Volksfest, aber Stuttgarter Frühlingsfest! Dabei wird auf ein und demselben Platz gefeiert. Dass die Ortsnamen noch heute verschieden sind, liegt daran, dass Bad Cannstatt nicht mehr selbstständig war, als die kleine Schwester des Volksfestes zum Wohle der Schausteller nach deren Winterpause in den 30ern hinzugekommen ist. Die Entscheidung wurde von den Stadtoberen getroffen: Das Rathaus bestand darauf, es Stuttgarter Frühlingsfest zu nennen – weshalb manche Cannstatter damals feierlich gelobt haben sollen, das Fest mit Stuttgarter Namen niemals zu besuchen.

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