Diese Ansicht vom Stuttgarter Marktplatz mit dem alten Rathaus (links) stammt vermutlich aus dem Jahr 1890. Rechts ist Spielwaren Kurtz zu sehen. Foto: /Sammlung Harald Frank

Die Nachricht vom Ende von Spielwaren Kurtz nach 188 Jahren bewegt die Stadt. Im Internetportal unseres Stuttgart-Albums erinnern sich sehr viele an das Paradies ihrer Kindheit. Unter anderem ist zu lesen: „Wieder verlieren wir ein Stück Stuttgart!“

Stuttgart - Ihre schönsten Kindheitserinnerungen sind mit Spielwaren Kurtz verbunden, schreibt Bianca Schlosser im Internetforum des Geschichtsprojekts Stuttgart-Album: „Wenn ich Ende der Fünfziger die schwarzen Lackschuhe anziehen durfte und es aus der Provinz nach Stuttgart ging, öffnete sich für ein Kind das Paradies.“ Das Paradies befand sich am Marktplatz. „Meine Eltern verließen es mit mindestens einem Paket, das einen Holzgriff mit dem typischen Pferd bekam“, fährt sie fort, „natürlich wurde der Inhalt bis Weihnachten geheim gehalten.“

Ende des Jahres 2021 gibt erneut ein Traditionsgeschäft in der Stuttgarter City für immer auf. Die offizielle Begründung von Spielwaren Kurtz: „Die rückläufigen Frequenzen in der Innenstadt, einhergehend mit den gleichbleibend hohen Mietkosten und dem sich wandelnden Kaufverhalten der Konsumenten zugunsten des Onlinehandels, bringen immer mehr stationäre Händler in Bedrängnis.“ Seit 1997 befand sich das Unternehmen nicht mehr im Familienbesitz, es gehörte für etliche Jahre Vedes, ehe es an Kanz in Pliezhausen überging.

2020 hatte die Bellybutton International GmbH alle Kurtz-Spielwarenhäuser von der insolventen Kanz-Gruppe ) übernommen. Harald Frank, ein weiterer Kommentator des Stuttgart-Albums, ist nicht überrascht über das Ende des Traditionsgeschäfts nach 188 Jahren. „Dies war schon lange absehbar“, schreibt er, „seitdem der Kurtz nach hinten in die Sporerstraße gezogen ist und vorne der Kaffeekapselladen reinkam, war es nur noch eine Frage der Zeit.“

„Für mich als Junge war Spielwaren Kurtz das Geschäft meiner Träume“

Die Radiolegende Rainer Nitschke gehört zu den vielen Stuttgarterinnen und Stuttgartern, die sehr betroffen auf die Nachricht vom Ende eines Kindheit-Paradieses reagieren. „Für mich als Junge war Spielwaren Kurtz das Geschäft meiner Träume“, erinnert er sich, „ich hab sehr viele Spielsachen bekommen, die meine Mutter dort kaufte – es gab alles was mein Herz begehrte.“ Sein Kommentar gipfelt in der Feststellung: „Wieder ist ein Stück Stuttgart weniger.“

Marcus Maedl sieht es kritisch: „Zum Schluss war das Warensortiment von Kurtz ein Witz. Billiges Plastikzeug aus China kann ich überall bekommen. Ich war auf der Suche nach qualitativ hochwertigem Holz oder Metalspielzeug, gern auch zu einem fairen Preis – aber da war totale Fehlanzeige.“

Mit Zinnwaren fing alles an

Die Historie des Spielwarengeschäfts reicht bis ins Jahr 1833 zurück. Da eröffnete der 1809 geborene Carl Wilhelm Kurtz eine Zinnwarenhandlung am Stuttgarter Marktplatz. Im Sortiment waren zunächst vor allem Zinngeschirr und Kirchenbedarf. Im Jahr der Ladeneröffnung heiratete der Zinngießer Jakobine Louise Christine Dolmetsch, die Tochter eines Backobermeisters. Das Paar hatte sieben Kinder, von denen der 1847 geborene Sohn Hermann Kurtz das Geschäft unter seinem Namen weiterführte. Zum Ende des 19. Jahrhunderts verlagerte sich das Geschäft über die Herstellung und den Vertrieb von Zinnfiguren immer mehr auf das Spielwarengeschäft, das im 20.  Jahrhundert zum beherrschenden Geschäftsfeld geworden ist.

Als die Räume am Marktplatz im Jahr 1944 durch Luftangriffe zerstört wurden, ging der Verkauf in Provisorien und Notunterkünften weiter, bis man 1952 in die neu errichteten Geschäftsräume unweit des Rathauses einziehen konnte. Die Familie Pietzonka, die das Unternehmen später übernahm, verkaufte das Unternehmen im Jahr 1997 an den Spielwarenverband Vedes.

„Kurtz hatte die schönsten Schaufenster“

Ob Eisenbahn, Kaufladen oder Playmobil-Figur - bei Spielwaren Kurtz haben sich viele Kinderwünsche erfüllt. Der Schlusspunkt einer wechselvollen Firmengeschichte ist Ende dieses Jahres erreicht, wenn das Geschäft für immer schließt. Alexander Scheyhing schreibt fürs Stuttgart-Album: „Ich habe dort meine Ausbildung gemacht, 17 Jahre dort gearbeitet. Der größte Fehler, der zum Niedergang geführt hat, dürfte wohl die Änderung des Sortiments und der Rückzug vom Marktplatz gewesen sein.“

Sabine Richter kommentiert: „So traurig! Der Kurtz am Rathaus hatte die schönsten Schaufenster. Gestaltet mit Modelleisenbahnanlage, beweglichen Steifftieren, Puppenhäusern. Als Kind die Nase fast platt gedrückt, aber auch als Erwachsener sehr gerne an den Schaufenstern stehen geblieben.“ Und Claudia Frank notiert: „Ich finde es so schön, all die Kommentare beim Stuttgart-Album zu lesen. Das ist Einzelhandel. Erinnerungen an Auslagen, Dekoration, Ware, Einkaufserlebnis mit Familie oder Freunden, Haptik oder Gerüche, Freude, Staunen. Nichts davon hat man, wenn man online kauft.“

Erinnerungen an die Modelleisenbahn im Schaufenster und im ersten Stock

Timo Kabel schreibt: „Bleibend ist auch die Erinnerung an die in der Weihnachtszeit im Schaufenster aufgebaute Modelleisenbahn. Der doppelte Handlauf in den ersten Stock, einer für die Erwachsenen und etwas darunter der für Kinder. Hinten links war das Reich der Modelleisenbahner. Da roch es immer nach Getriebeöl der Modelllokomotiven, die zur Probe und zum Verkauf eine kleine Runde auf dem Tresen drehten.“

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