Die Stuttgarter Fotokünstlerin und Tierschützerin Silvie Brucklacher-Gunzenhäußer (rechts) 1958 im Italienurlaub mit der FamilieSilvie Brucklacher Foto: Silvie Brucklacher-Gunzenhäußer

Mit 19 Jahren war sie Fotografin, mit 20 Mutter, mit 48 Großmutter – in diesem Tempo verläuft das Leben von Silvie Brucklacher-Gunzenhäußer. Für das Stuttgart-Album blickt sie mit ihren Fotoschätzen auf die Swinging Sixties zurück.

Stuttgart - Das Leben ausprobieren, genießen, etwas riskieren, das Neue suchen. Was Silvie Brucklacher-Gunzenhäußer als junge Absolventin der Bayrischen Staatslehranstalt für Fotografie bei ihren nächtlichen Ausflügen in Schwabing als ihren Weg zum Glück entdeckt hat, gilt heute noch für sie, da sie der Ü-70-Generation angehört. Ihre Neugierde auf Menschen ist weiter gewachsen. „Wunderschön anzusehen“, sagt sie, seien blutjunge Frauen. Aber im direkten Vergleich verliere die „gelebte Schönheit“ keineswegs, vor allem dann nicht, wenn sie mit „Warmherzigkeit“ und „Verantwortung“ verbunden sei.

Junge Schönheit, sagt die Fotokünstlerin, erweise sich häufig als „leere Hülle“ und „Oberflächlichkeit“. Für sie ist es ein „Geschenk, alt zu werden“. Sie nutzt die Reife, sich für Tiere und sozial benachteiligte Menschen zu engagieren. Jetzt wird ihr vieles klarer – auch von dem, was sie in aufgewühlten Zeiten erlebt hat, in den Swinging Sixties in München, in denen sie oft mit Brigitte Bardot verglichen wurde.

„Damals war die Gesellschaft extrem prüde“

Auf der Facebook-Seite des Stuttgart-Albums haben Fotos der junge Silvie für viel Bewunderung gesorgt, etwa die Aufnahme aus dem Italienurlaub mit dem Porsche von 1958. Die jungen Leute, bemerkt ein User, trugen „zeitlose Mode“. Begeistert stellt er fest: „Dieses Bild könnte das aktuelle Werbeplakat eines Modelabels sein.“

Hat sich gar nicht so viel verändert? Dies könnte täuschen! „Damals war die Gesellschaft extrem prüde“, erinnert sich Silvie Brucklacher-Gunzenhäußer. Sie meint damit etwa die Diskriminierung von Schwulen. Als Studentin zog die Stuttgarterin mit dem Krupp-Erben Arndt von Bohlen und Halbach durch Schwabing. „Er war der erste Homosexuelle, den ich kannte“, sagt sie, „damals hieß es abschätzig, die sind vom anderen Ufer.“ Sie fühlte sich wohl in seiner Clique. Bei den Partys tanzten Mädchen auf den Tischen. Oder waren es Jungs? Ihr damaliger Begleiter heiratete zum Schein eine Frau und starb 1986 mit 48 Jahren.

Blitzen war damals verpönt

Eine der Aufgaben der Fotoschule lautete: „Porträt mit Prominenz“. Die Schauspielerin Barbara Valentin stand Silvie Brucklacher Modell. „Bei ihr lagen Trauben herum“, erzählt sie „sie hatten dieselbe Farbe wie ihre Haare.“ Die Fotografie wurde geprägt von neuen, lichtempfindlichen Filmen. „Blitzen war verpönt“, sagt Silvie Brucklacher-Gunzenhäußer, „manche Fotos entstanden bei Kerzenschein und waren sehr grob im Korn.“ Die Porträts wirkten nicht mehr steif, durfen auch mal unscharf und verwackelt sein.

Noch heute liebt die Fotografin, etwa bei ihrer Serie „Rotraits“, „scheinbar zufällige Fotos“, die mehr erzählten als Inszenierungen. Als die digitale Technik kam, erinnert sie sich, sei ein „angstvolles Raunen“ durch die Fotografenszene gegangen. Längst habe sich das Neue aber „überlegen in Schärfe und Lichtempfindlichkeit“ erwiesen.

Jede Zeit hat ihre Spielregeln

In den 1960ern sei die Verführung „dezent, erotisch, heimlich“ gewesen, meint sie, nicht plump wie heute. Jede Zeit habe ihre Spielregeln. Wer älter wird, erkenne, dass Aussehen nicht die wichtigste Sorge sei. Sie setzt sich für „ein gutes Miteinander von Mensch und Tier“ ein – und tut es mit der Kraft und Schönheit eines gelebten Lebens.

Diskutieren Sie mit unter www.facebook.com/Album.Stuttgart. Schicken Sie historische Foto an: info@stuttgart-album.de. Im Silberburg-Verlag sind zwei Bücher zu unserer Geschichtsserie erschienen. Ein dritter Band mit dem Titel „Das Beste aus dem Stuttgart-Album“ erscheint Ende März im Sutton-Verlag.