Hier fing alles an: In der Gänsheide 119 war das erste Schulhaus der 1918 gegründeten Merz-Schule Foto: Archiv Merz-Schule

Im Herbst 1918 gründete Albrecht Leo Merz auf der Stuttgarter Gänsheide eine Grundschule mit hohem reformerischen Anspruch. Hundert Jahre später leiten seine Enkel Markus und Konstantin Merz ein großes Familienunternehmen.

Stuttgart - Das alte Haus steht noch: In der Gänsheide 119 im Stuttgarter Osten hatte der Reformpädagoge und Architekt Albrecht Leo Merz im Herbst 1918 eine Grundschule gegründet. Gestartet wurde mit zwölf Kindern, aber Merz hatte Großes vor. Es ging ihm um eine Reform des ganzen Bildungswesens. Das Handwerkliche, Praktische verband sich bei ihm immer auch mit der Reflexion. Und so war das Schulhaus gleichzeitig auch Werkhaus, wurde zu Akademie, Hörsaal, Diskussionsraum und Ausstellungsort. Merz wollte „eine echte soziale Gesinnung“ schaffen, und eine Pädagogik, die sich an „Vertreter aller Stände und beiderlei Geschlechts“ richtete. Er fasste sie unter dem Begriff „erkennen und gestalten“ zusammen. Dies ist bis heute Leitmotiv für das Familienunternehmen Merz, das längst zu einem Bildungswerk gewachsen ist.

Nach dem Schulgründer ist sogar eine Straße benannt

Kita, Schule, Internat, Berufskolleg für Grafikdesign und Akademie gehören dazu. Viele Mitglieder der Familie Merz haben sich in deren Entwicklung eingebracht, darunter die drei Söhne des Schulgründers und deren Familien. Nicht immer verlief die Zusammenarbeit geräuschlos. Inzwischen führen zwei Enkel des Gründers die Einrichtungen: Markus Merz (65), der Jahrzehnte die Akademie im Teck-Areal geleitet hat, ist Geschäftsführer des Merz Bildungswerks, Konstantin Merz (63) leitet die Schule mit Internat und Kindergarten an der Geroksruhe. Dass dort eine Straße nach dem Schulgründer benannt ist, zeigt die Sonderstellung, die die private Bildungseinrichtung einnimmt. In der Schule wird Sport groß geschrieben. Sie ist Mitglied im „Verbund Eliteschule des Sports“ und Partner des Olympiastützpunkts Stuttgart. Hockey ist Bestandteil des Sportunterrichts in der Schule. Etliche Schüler schafften es über den HTC Stuttgarter Kickers bis in die Bundesliga.

Handwerksunterricht, Sport und Musik werden an der Merzschule groß geschrieben

Was die Schule heute von anderen Privatschulen unterscheidet? Das sei, neben der Grundidee vom Erkennen und Gestalten und den zusätzlichen Fächern mit Handwerksunterricht, Rezitation/Rhetorik sowie dem musischen Angebot das Fachlehrerprinzip, auch in der Grundschule, und das ganzheitliche Konzept vom Kindergarten bis zur Hochschule, erklärt Konstantin Merz, dem die knorrigen Töne seines Vorgängers und Vaters Volker Merz (96) fremd sind. Dieser hatte bis ins hohe Alter das Regiment geführt, keine Widerrede geduldet und war keinem Streit aus dem Weg gegangen. Disziplin und Leistung hatte er verlangt. Dass an der Schule Reiche für ihre Kinder gute Noten oder gar ein Abitur kaufen könnten, diesen Vorwurf wies er vehement zurück. Die Merzschule sei „keine Schule reicher Leute“, hatte er gesagt und zudem auf die Stipendiaten verwiesen. Ganz ohne Kleingeld geht es für die meisten nicht: Wer die Schule wegen ihres besonderen Profils wählt, muss für ein Gymnasialkind 389 Euro im Monat zahlen (ohne Mittagessen).

In der Akademie setzt inzwischen Rektor Martin Fritz neue Akzente

Die Akademie, deren Leitung Markus Merz 1983 bereits als Student übernommen hatte, baute dieser von einer Grafik-Design-Schule zu einer renommierten Hochschule mit einem breiten Angebot im Bereich Film, Neue Medien und visueller Kommunikation aus – mit einem Bachelorstudiengang Gestaltung, Kunst und Medien mit drei Vertiefungen: Film und Video, New Media sowie Visuelle Kommunikation und einem Masterstudiengang. Vor zwei Jahren gab Markus Merz den Rektorposten ab. Als Nachfolger wurde der Wiener Publizist und Kurator Martin Fritz bestellt. Dieser setzte neue Akzente mit dem Studienschwerpunkt „Crossmedia Publishing“.

Bleibt Merz auch weiterhin ein Familienunternehmen?

Was wird aus dem Familienunternehmen, wenn Markus und Konstantin Merz einmal in den Ruhestand gehen? Diese Frage beantworten die Brüder unterschiedlich. Schulleiter Konstantin Merz erklärt hierzu: „Die vierte Generation ist in den Startblöcken.“ Gemeint sei sein ältester Sohn Frederik. Derzeit sei der promovierte Englisch- und Sportlehrer zwar noch bei einem anderen Bildungsunternehmen unter Vertrag, aber es sei angedacht, dass er bei Merz die digitale Schulentwicklung vorbereite.

Holding-Geschäftsführer Markus Merz betont hingegen: „Es gibt keinen Automatismus, dass die Führungskräfte aus der Familie kommen.“ Dies sei ja auch bei der Akademie nicht mehr der Fall. Wichtig sei, „dass man eine moderne, innovative Pädagogik fortsetzen und auf Dauer absichern kann“. Entscheidend hierfür sei die Qualität der Mitarbeiter, aber auch der Führungskräfte. Diese müssten neben Fachlichkeit auch Managementkönnen mitbringen.

Am Mittwoch wird groß im Neuen Schloss gefeiert

Fest steht: am Donnerstag wird erstmal das 100-Jahr- Jubiläum groß gefeiert. Ehrensache, dass die Sause im Neuen Schloss stattfindet und Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Oberbürgermeister Fritz Kuhn und EU-Kommissar Günther Oettinger mit von der Partie sind.