Der Wagenburgtunnel Ende der 1950er Foto: Thomas Mack

Mit 824 Metern war er bei der Freigabe für Autos im Jahr 1958 der längste Straßentunnel Deutschlands: Mit dem Wagenburgtunnel sind bei unseren Lesern viele Erinnerungen verbunden, die sie im Stuttgart-Album schildern.

Stuttgart - Mit 824 Metern war er bei der Freigabe für Autos im Jahr 1958 der längste Straßentunnel Deutschlands: Mit dem Wagenburgtunnel sind bei unseren Lesern viele Erinnerungen verbunden, die sie im Stuttgart-Album schildern.

Ohne Schutzhelm dürfte heutzutage keiner eine Tunnelbaustelle betreten – 1941 aber trugen beim Durchbruch des Wagenburgtunnels alle Herren Hüte. Die Honoratioren der Stadt waren in ein dunkles Loch gestiegen, um dabei zu sein, wenn sich die Bauarbeiter von beiden Seiten – vom Osten der Stadt und von der Straßenkreuzung Gebhard-Müller-Platz beim Hauptbahnhof aus – durchgeschlagen hatten und sich im Stollen die Hand geben konnten. Das Haus des Dokufilms hat die bewegten Bilder mit Herren und ihren Hüten ins Netz gestellt. Es sollte noch viele Jahre dauern, bis Autos durchfahren konnten.

1958 der längste Straßentunnel Deutschlands

Erst 1958 ist der Wagenburgtunnel eröffnet worden. Mit 824 Metern war er der längste Straßentunnel Deutschlands. Geplant war die Verbindung zwischen Ostheim und Stadtmitte bereits in den 1920er Jahren. Doch zunächst fehlte Geld, um so ein gewaltiges Bauprojekt zu finanzieren. Mit der Nazi-Diktatur und dem Zweiten Weltkrieg kam die Notwendigkeit, Schutzräume zu schaffen. So beschloss die Stadt Anfang der 1940er, zwei Röhren für den Autotunnel durch den Berg zu graben, die zudem 15 000 Menschen im Fall der Bombardierung Schutz bieten sollten.

Wie die alten Fotos zeigen, ist nicht der gesamte Tunnel unter der Uhlandshöhe bergmännisch erstellt worden. Das letzte Stück am Ostportal entstand in offener Bauweise. Aus Kostengründen und um den Osten nicht noch stärker mit Verkehr zu belasten, hat die Stadt nach Kriegsende entschieden, nur eine der beiden Röhren fertigzustellen. Durch diese Südröhre rollten am 17. März 1958 die ersten Autos – Fußgänger und Radfahrer dürfen nicht durch.

Die unvollendete Nordröhre wurde später zum Fluchtweg für den benachbarten Autotunnel ausgebaut. Der bereits fertiggestellte Abschnitt auf der Innenstadtseite diente von 1985 bis Januar 2012 dem Musikclub Die Röhre als Veranstaltungsort. Künftig wird dieser Teil der Nordröhre als Rettungszufahrt für die darunter verlaufenden Eisenbahntunnel benötigt, weshalb die Rockbühne schließen musste, an die sich viele auf der Facebook-Seite unseres Geschichtsprojekts Stuttgart-Album gern erinnern.

„Heimat für die Subkultur in dieser Stadt“

„Viele tolle Konzerte“ hat Jonathan Schneider in diesem Tunnel erlebt. Thomas Mayer vermisst eine „Heimat für die Subkultur in dieser Stadt“. Und Bernd Heller hat beim Anblick der Fotos „sofort den Geruch der Röhre in der Nase“.

Thomas Mack merkt zu seinem Foto an, das er vom Wagenburgtunnel aus den 1950ern geschickt hat: „Man beachte den DKW-Bus vom Radio- und Fernsehhaus Knörzer. Radio Barth und Knörzer waren die beiden größten Rundfunk- und Fernsehgeschäfte in Stuttgart. Leider kam Herr Knörzer durch tragische Umstände ums Leben. Damals wurden die Fernsehgeräte noch nach Hause gebracht und eingestellt.“

Eberhard Kenner steuert auf unserer Facebook-Seite folgende Erinnerung bei: „Zu Anfang der 1970er Jahre wurde an meinem Renault R4 plötzlich der Kühlwasserschlauch leck, und ich konnte den Wagen gerade noch in die Seitenbucht vor den Tunneleingang steuern. Ein hilfsbereiter Stuttgarter schleppte mich für 10 DM nach Esslingen durch den Wagenburgtunnel. Ich danke dem Helfer noch heute dafür!“

Nathalie Bour schreibt: „Jedes Mal, wenn ich durchfahre, denke ich, dass mal einer die Kacheln putzen könnte.“ Und La Lexi wird nie vergessen: „Beim Ausflug des Ferienwaldheims Wangen war ein Kind verschwunden und kam nach Stunden zurück. Auf die Frage wie antwortete es: ,Zu Fuß durch den Wagenburgtunnel.‘ Darauf der Betreuer: ,Kriegsch a Duplo, wenn de deinen Eltern nix sagscht!‘“

Zu unserer Geschichtsserie sind zwei Bücher im Silberburg-Verlag erschienen. Im ersten Band des „Stuttgart-Albums“ geht es um Radio Barth, die Lerche, den Kleinen Schlossplatz, das Zum Zum, das Zapata, das Café Weiß, Peep-Shows, die Vereinigten Hüttenwerke, das Breuninger-Mineralbad, die Röhre und vieles mehr.

Themen im „Stuttgart-Album Vol. 2“ sind unter anderem: die Strampe, die Menschenkette von 1983, die Sonnenfinsternis von 1999, das Hotel Silber, die Zacke, Crankos Ballett, die ersten Radfahrer- und Schwulendemos in den 1970ern.

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