Eine der ältesten Ansichtskarten mit einem Stuttgart-Motiv. Foto: /Sammlung Wolfgang Müller

Ansichtskarten sind Spiegelbilder ihrer Zeit. Die ältesten Exemplare mit Stuttgart-Motiven erzielen hohe Preise. Unser Stuttgart-Album zeigt Raritäten aus dem 19. Jahrhundert. Ein Pionier der Kartenherstellung war der Lithograf Franz Scheiner.

Der Postbote hat’s eilig. „Express“  steht auf seiner Mütze. Einen „Gruß aus Stuttgart“ will er möglichst  schnell überbringen. Es ist ein Gruß aus dem alten Stuttgart. Dank dieser  großartigen Ansichtskarte aus der Sammlung von Wolfgang Müller blicken wir über 130 Jahre zurück. Die Hügel sind unbebaut, die Türme der Stiftskirche und des Rathauses sind weithin sichtbar zu sehen und dienen als Erkennungszeichen der Residenzstadt. Der  König heißt zu dieser Zeit Karl. Etwa 126.000 Menschen leben in Stuttgart. Wolfgang Müller, der sich als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Stadtgeschichte über viele Jahre für ein Stuttgart-Museum eingesetzt hat, das am Ende kam und nun Stadtpalais heißt,  hat uns ganz besondere Raritäten geschickt – die drei ältesten Karten aus seiner Sammlung, die von zwischen 1887 und 1899 „gelaufen“ sind.

Die Karten stammen vom Verlag Schreiner in Würzburg, der einst mit der überregionalen Herausgabe von Ansichtskarten in größerem Umfang begonnen hat. „Die Karten sind relativ selten und erzielen entsprechend hohe Preise“, sagt Müller. Der Lithograf Franz Scheiner aus Würzburg  gilt als Pionier in der Geschichte der Ansichtskarten. Es handelt sich Federlithografien in Brauntönen, die auf leicht bräunlichem Karton gedruckt wurden. In Stuttgart gab es zu dieser Zeit noch keine Ansichtskartenhersteller. Franz Scheiner hat die damals revolutionären Mittel der Kommunikation für  viele deutsche Städte produziert und dort verkauft.

Wie funktioniert die Lithografie?

So sah also Uropas Instagram aus! Ach, macht das Spaß, diese Karten sich ganz genau anzuschauen! Unser Tipp: Vergrößern Sie die Lithografien. Sie werden so viel entdecken!

1872 wurden in Deutschland private, nicht von der Post hergestellte Motivpostkarten zugelassen. Da  man damals für den Versand einer Ansichtspostkarte viel weniger zahlte als fürs Verschicken von Briefen,  war die  schriftliche  Korrespondenz mit Illustration beliebt. Den Durchbruch erlebten die Karten, als  1896 es die Erfindung der  Chromolithografie möglich machte, die Karten nicht nur schwarz-weiß, sondern auch bunt zu bedrucken.

Wie Lithografie funktioniert? Bilder werden seitenverkehrt mit Fettusche auf den Kalkstein gezeichnet. Diese werden sodann mit Ätzflüssigkeit behandelt. An den Stellen, wo sich keine Zeichnung befindet, dringt die Flüssigkeit in die Poren des Steins ein. So bleibt später unter hohem Druck die Farbe nur an den gezeichneten Linien.  Zunächst war die Rückseite nur für die Briefmarke, Poststempel und Adressierung zugelassen. Die Nachrichten wurde also auf die Vorderseite geschrieben. 1905  ist die geteilte Anschriftsseite offiziell eingeführt worden.

Leserinnen und Leser versuchen sich am Entziffern der Karten

Doch was steht nun auf den Uraltkarten von Wolfgang Müller? Im Internetportal unseres Stuttgart-Albums haben sich  Leserinnen und Leser am Entziffern geübt. Gerry Graf kam bei der ersten Karten (mit dem Express-Mann) auf folgenden Text:„M.l.g.S. Deine Karte erhielt ich heute & möchte Dir d.L. auf den morgenden Sonntag die liebsten G. & K. senden. Deine Frage werde ich Dir morgen Nachmittag beantworten. Wie freue ich mich Dir in Gedanken nahe sein zu können, & in 8 Tagen erst - darf ich dann auf baldiges Wiedersehen hoffen? Nimm h. G. & K. von D. tr. L.“

Bei der zweiten Karte im heutigen Newsletter kommt Gerry Graf zur Erkenntnis, dass „nur lauter Blödsinn“ draufsteht: „Seine Durchlaucht Fürst Matig (?) haben geruht, Fräulein Riekele Beuttner, höchst Seinen Hausorden für Kochkunst zu verleihen. Indem er anbei folgt, wird bemerkt, daß die Brillanten dazu im Leihhaus zu H.einzulösen sind. Fürstl. Hofmarschallamt gez. v. Lustik.“ Eine weitere Userin, die sich für die Übersetzung bedankt, rätselt: „Vielleicht ist das ja eine verschlüsselte Nachricht gewesen -  für einen großen Diamantenraub oder ähnliches.“