Das Haus am Hirschbuckel wird bald abgerissen, in dem sich im Erdgeschoss und im Keller die Clubs AT, Roxy und Toy befanden. Foto: /Herzberg

Die Fritty Bar ist seit Juli geschlossen, bald muss auch der darunter liegende Club weichen. Bevor mit dem Abriss des Hauses ein Stück vom alten Stuttgart verschwindet, steigt am 22. Dezember eine „große Roxy-Abschiedsparty“. Erinnerungen an heiße Partynächte.

Noch einmal im alten Club einen „Ölfuß“ und ein „U-Boot“ trinken! Jens Herzberg, der hier seit den 80ern aufgelegt hat, freut sich sehr darauf. In seinem geliebten Roxy, aus dem 1997 das Toy geworden ist, hatten die Drinks seltsame Namen. Der DJ erklärt uns, was dahinter steckt: „Der Ölfuß geht auf einen Mitarbeiter zurück, der eben so hieß. Seine Erfindung, nach seinem Nachnamen Ölfuß benannt, bestand auf Maracuja-Saft sowie aus gleich mehreren harten, meist unklaren Alkoholsorten.“ Das „U-Boot“ besteht aus Wodka und Fanta. Beide Hits der früheren Getränkekarte werden am 22. Dezember neu aufgelegt, wenn vor dem Abriss des Hauses am Hirschbuckel unterhalb der Königstraße eine letzte „Roxy-Revivalparty“ gefeiert wird.

DJ Herzberg lernte seine Frau im Roxy kennen

Paul Stohrer, ein Stuttgarter Architekt des Wirtschaftswunders (er hat auch das Rathaus gebaut), hat das 1953 errichtete Gebäude am Hirschbuckel entworfen, das nicht unter Denkmalschutz steht. Fans von Stohrer bedauern dies, weil das Haus eine „Architekturikone des sogenannten Brutalismus“ sei. Doch nun gibt es keine Rettung mehr. Die Immobilie gehört der Stinag, einer Investment AG, die eine Modernisierung des bisherigen Vergnügungsecks für dringend notwendig hält. Geplant ist ein Neubau für Läden, Büros und Arztpraxen. Ob es dann noch Gastro und einen Club im Erdgeschoss gibt, ist bisher nicht bekannt.

Bevor die Abrissbagger kommen, wird noch mal ordentlich Party gemacht an einem Ort, an dem mehrere Generationen getanzt, getrunken und geflirtet haben. Viele erinnern sich sehr emotional an diese wichtige Nachtstation ihrer Jugend. DJ Jens Herzberg lernte seine Frau im Roxy kennen, was seine besondere Beziehung zu diesem Club erklärt.

„Nur noch die wirklich Älteren können sich noch an den Vorgänger des Roxys erinnern“, sagt Herzberg. Er kann: „Das Atlantik, kurz AT, war einige Zeit vor dem Roxy schon eine sehr erfolgreiche Disco der 80er-Jahre gewesen – auch für mich eine der ersten Adressen nach dem Tanzschulen-Besuch.“ Die Musikanlage und das Design mit einer Brücke über dem Dancefloor (die später aus Sicherheitsgründen weichen musste) seien legendär gewesen. Auch zur späten Stunde haben man an der hinteren Bar Spaghetti und Burger bestellen können. Die Abschiedsparty am 22. Dezember, 20 bis 5 Uhr, steht unter dem Motto: „Kommt alle rein, tanzt den letzten Tanz !“

Mit Jazz fing’s am Hirschbuckel im Keller an. 1979 ist das AT Podium City im heutigen Toy eröffnet worden. Die Atlantikbar hat in den 1960ern an der Büchsenstraße als hipper Jazzladen begonnen. Unter der Leitung von Hans-Peter Haug erfolgte 1972 erst der Umzug an die Fritz-Elsas-Straße und dann an die Ecke Königstraße/Hirschstraße. Es war die Zeit des „Saturday Night Fevers“. Jazz erwies sich für den AT-Betreiber häufig als Minusgeschäft, weshalb er immer öfter auf Discoabende nach Travolta-Art setzte.

Im Boulevardblatt stand’s mit dicken Lettern: „Stuttgarts Suff & Sex“

Berüchtigt waren die Bukowski-Partys Ende der 1980er im Roxy. Sex und Suff kamen in den Geschichten des US-Schriftstellers Charles Bukowski zuhauf vor. Es gab Bier aus der Dose und Hähnchen. Pornofilme liefen auf Röhrenfernsehgeräten. Es wurde Sex-Spielzeug verlost, prämiert wurde „der Gast mit Stuttgarts Längstem“, also der Besucher, der backstage die Hosen herunterließ und besonders viele Zentimeter vorweisen konnte. Die Zeitung mit den vier Buchstaben berichtete damals unter der Überschrift „Stuttgarts Sex & Suff“ darüber. Herzberg hat den Artikel aufgehoben, um sich noch heute darüber amüsieren zu können. Die Reporterin hieß Tina Schüler (heute Tina Gaedt). Und das Roxy-Personal, so erzählt man sich bis heute, „wurde jedes Jahr komplett für ein Wochenende auf den Oberwiesenhof in den Schwarzwald eingeladen – alles inklusive“.

Bevor das Haus abgerissen wird, will Herzberg also noch einmal so richtig Gas geben am DJ-Pult, auf dass diese Nacht als legendär in Stuttgarts Partygeschichte eingeht.

Diskutieren Sie mit unter: www.facebook.com/Album.Stuttgart. Wer mehr zur Stadtgeschichte erfahren will, abonniert kostenlos den Newsletter „StZ Damals“.