Einst führte eine Straße an dem Kunstgebäude vorbei, auch die Straßenbahn fuhr hier vorbei. In den 60ern konnten Autos auf dem Schlossplatz parken. Foto: Sammlung /Klapka

Der goldene Hirsch auf der Kuppel ist ein Symbol für Kunst. Noch immer ist das Kunstgebäude, das am 8. Mai den 110. Geburtstag feiert, geschlossen. Wann ist die Sanierung beendet? Wie hat hier alles angefangen?

Stolz aufgerichtet steht er da, dreht anmutig den langen Hals zur Seite, sein Fell glänzt in der Sonne: Der goldene Hirsch auf der Kuppel des Kunstgebäudes ist seit 110 Jahren ein Wahrzeichen der Stadt und ein Symbol für Kunst. Der Bildhauer Ludwig Habich, einst Professor an der Kunstakademie, hat dem Wappentier von Württemberg zu einem hoch gelegenen Logenplatz verholfen. Schon von den Hügeln aus sieht man den Geweihträger und kann mit der Jubiläumssäule die City gut orten.

Bis zum zweiten Quartal 2024 soll alles fertig sein

Zurzeit schaut man auf eine Baustelle. Eigentlich hätte alles dieses Jahr fertig sein sollen. Laut zuständigem Landesfinanzministerium ist der Probebetrieb des sanierten Kunstgebäudes nun für das erstes Quartal 2024 vorgesehen, die Fertigstellung der Außenanlagen fürs zweite Quartal geplant.

Der goldene Hirsch hat die Bomben des Kriegs mit der gesamten Kuppel überstanden, während das restliche Kunstgebäude zerstört worden ist. Von 1956 bis 1961 wurde es nach Plänen von Paul Bonatz und Günter Wilhelm wieder aufgebaut und um einen Neubau (den so genannten Viereckssaal) ergänzt. Habichs Wildtier konnte beobachten, wie in den 60ern eine Straße, quasi als Bypass zur Königstraße, durch den Schlossplatz führte und man hier parken konnte. In den 90ern durfte der Hirsch herunterschweben, weil man ihn neu vergoldet hat.

Hier befand sich das 1593 erbaute Lusthaus

Das Kunstgebäude war ein Geschenk von König Wilhelm II. an die Stadt und ihre Künstlerinnen und Künstler. Der 1898 gegründete Künstlerbund, der dieses Jahr also seinen 125. Geburtstag feiert, bekam ein eigenes Domizil – seitdem ist das markante Gebäude ein zentraler Ort der Kunst. Auch wenn Stuttgart – anders als Tübingen, Düsseldorf oder Frankfurt – keine eigene Kunsthalle besitzt, hatte die Stadt mit dem Kunstgebäude einen Veranstaltungsort an zentraler Stelle, der für besondere Ausstellungen genutzt werden konnte.

Das Kunstgebäude hat einen fürwahr historischen Standort. Denn hier befand sich das im Jahr 1593 fertiggestellte Lusthaus für höfische Feste. 1750 ließ Herzog Carl Eugen es zum Opernhaus umbauen – daraus wurde das Hoftheater, das am 20. Januar 1902 nach einer Vorstellung von Wagners aber „Die Meistersinger von Nürnberg“ abbrannte.

Noch im Jahr des Brandes war das Interimstheater fertig

Die Ursache war ein elektrischer Kurzschluss. „Die zum Himmel lodernden Flammen“, schrieb der „Schwäbische Merkur“, „verkündeten die Nachricht von der Katastrophe.“ 260 Feuerwehrleute waren machtlos. Der Stolz des Königs war eine Ruine. Bei dem Brand wurden die Überreste des Lusthauses (heute befinden sie sich im Schlossgarten) freigelegt. Über 100 Jahre später gab’s erneut eine Überraschung: Bei der Sanierung des Kunstgebäudes fand man beim Aushub im Keller Reste des Lusthauses.

König Wilhelm II., ein Freund der Oper, hat nach der Zerstörung des Hoftheaters rasch gehandelt. In nur neun Monaten ließ der Monarch auf dem Platz des heutigen Landtags ein Interimstheater bauen – es wurde am 12. Oktober 1902 eröffnet, noch im Jahr des Brandes. Der König sprach den nach dem Brand frei gewordenen Platz der Kunst zu. Von 1910 bis 1913 ist das Gebäude nach Plänen des Architekten Theodor Fischer gebaut worden. Feierliche Eröffnung war am 8. Mai 1913. Über Jahre machte das Kunstgebäude mit Streit Schlagzeilen. Bevor das neue Kunstmuseum eröffnet wurde, mussten sich der Württembergische Kunstverein und die Galerie der Stadt die Räume teilen. Das war nicht immer leicht. Von 2013 bis 2016 tagte der Landtag im Kunstgebäude, weil nebenan das hohe Haus umgebaut worden ist. Es war nicht das erste Mal, dass der Hirsch über Parlamentarier wachte. Im Jahr 1920, nach dem Kapp-Putsch, diente das Gebäude als Tagungsort der Deutschen Nationalversammlung, die aus Berlin floh. Zu seinem 125. Geburtstag kann der Künstlerbund mit seinen 140 Mitgliedern in diesem Jahr nicht ins Kunstgebäude – und zeigt deshalb Kunst am Bauzaun für Kunstgenuss im Vorübergehen. Auch die Gastronomie im Kunstgebäude hat eine lange Tradition. Bereits zur Eröffnung beherbergte das Haus nicht nur Ausstellungsräume, sondern auch ein Restaurant und eine Kegelbahn. Große Feierlichkeiten, vor allem die „berühmten Künstler- und Faschingsfeste“, so steht es am Bauzaun,sind hier gefeiert worden.

Künstlerbund feiert seinen 125. Geburtstag

Nach dem Wiederaufbau gab es zunächst nur Ausstellungsflächen im Altbau. Später betrieb der Künstlerbund im ersten Stock ein Café, das vor allem im Sommer mit seinen Außenplätzen unter den Arkaden sehr beliebt war. Bisher musste man zum gastronomischen Innenleben des Kunstgebäudes eine Treppe hochgehen. Dies wird sich künftig ändern. „Im Zuge der Sanierungsmaßnahme wird das Café im Kunstgebäude an den historischen Standort im Erdgeschoss in Richtung Stauffenbergstraße verlegt, mit einem Außenbereich entlang der Stauffenbergstraße und am Schlossplatz“, erklärt Sebastian Engelmann, der Sprecher des Finanzministeriums. Das Café bekommt also einen neuen Eingang und wird dank des Umzugs aufgewertet, wird heller und größer.

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