Auf einem Podest, Elefantenfuß genannt, regelt ein Polizist vor der Königstraße den Verkehr. Foto: Sammlung Wibke Wieczorek

Erhaben standen die Männer auf einem „Elefantenfuß“. So nannten Verkehrspolizisten ihr Podest, das an Weihnachten mit Geschenken überhäuft war. Das Stuttgart-Album erinnert an Zeiten vor der Ampel.

Stuttgart - Der Schlossplatz war sein Revier. In den 1950er und 1960er Jahren regelte der Vater von Claus Haustein, einem Internet-Kommentator des Stuttgart-Albums, im Herzen der Stadt den Verkehr. „Letzte Woche habe ich mich im Auto fast totgelacht“, schreibt der Polizistensohn auf der Facebook-Seite des Geschichtsprojekts, „mein Vater kümmerte sich um die große Kreuzung ganz allein, und in Möhringen fabrizierten sieben Polizisten an einer kleineren Kreuzung ein totales Chaos.“

Die erste Verkehrsampel von Stuttgart leuchtete am 25. Juli 1939 beim Königsbau auf – dort, wo sich heute Fußgängerzone und Bolzstraße treffen. Die Verkehrslawine rollte schon: Zu jener Zeit waren in der Königstraße an einem Samstagvormittag binnen zwei Stunden 1414 Fahrzeuge Richtung Hauptbahnhof und 1166 Fahrzeuge Richtung Schlossplatz unterwegs.

Das Dächle kam aus Kornwestheim

Die meisten Kreuzungen wurden einst per Hand geregelt, Ampeln waren die Ausnahme. Heute gibt es in Stuttgart etwa 805 Lichtsignalanlagen. Am Hauptbahnhof stand bis Anfang der 1950er ein Polizist auf seinem „Elefantenfuß“ – zunächst bei schlechtem Wetter im Regen. Doch dann bekam er ein Dächle über den Kopf.

Der Regenschutz stammte aus Kornwestheim. Michael Rauser hat dem Stuttgart-Album großartige Beweisfotos geschickt. In der Flaschnerei Otto Rauser seines Vaters ist 1949 das Dach für das Podest hergestellt worden. „Warum mein Vater den Auftrag aus Stuttgart bekam, kann ich mir nur so erklären, dass er Unterauftragnehmer für Stahlbau Conrad in Kornwestheim war“, erklärt der Sohn und erzählt noch eine schöne Geschichte: In der Stuttgarter Meisterschule hatte sein Vater, der im Krieg in Russland beide Beine verloren hatte, seine Frau kennengelernt, die dort Rektoratssekretärin war. Ihr Jawort gaben sie sich 1950 in der Kirche St. Josef in Stuttgart. Mit den Trauzeugen fuhr der Vater im Auto dorthin. Fast wäre er zu spät gekommen. Schon damals gab es Staus – in diesem Fall lag es am Volksfestumzug. „Die Polizei hatte ein Einsehen, stoppte den Zug kurz und winkte die Hochzeiter durch“, berichtet Michael Rauser.

Wein als „Geste der Menschlichkeit“

An Weihnachten dankten die Autofahrer mit kleinen Aufmerksamkeiten den Verkehrspolizisten. Mit Vorliebe platzierten sie Weinflaschen am „Elefantenfuß“. Was eine „Geste der Menschlichkeit“ war, sagt Michael Kühner vom Stuttgarter Polizeimuseum, würde heute den Staatsanwalt beschäftigen: „Er müsste der Frage nachgehen, ob es Vorteilsnahme nach § 331 StGB ist.“

Diskutieren Sie mit unter: www .facebook.com/Album. Stuttgart. Schicken Sie Fotos an: info@stuttgart-album.de. Im Silberburg-Verlag sind bisher zwei Bücher zu unserem Geschichtsprojekt erschienen – ein dritter Band ist in Vorbereitung. Weitere Infos unter www.stuttgart-album.de.