Die Eberhardstraße im Jahr 1967. Auf der rechte Straßenseite ist Juwelier Kurtz zu sehen. Foto: / StZ-Archiv

Nach 188 Jahren hat Spielwaren Kurtz Anfang 2022 für immer geschlossen. Schon einmal musste ein Traditionshaus mit diesem Namen aufgeben: Juwelier Kurtz verabschiedete sich bereits 2003. Wir erinnern an klangvolle Marken, die unvergessen sind.

Stuttgart - eine Tradition hat immer etwas mit Erinnerung zu tun. Wenn ein Geschäft schließt, das man ein Traditionshaus nennt, fühlt es sich oft an, als würde man ein Stück seiner Kindheit oder Jugend verlieren. Deshalb geht es vielen Menschen nahe, wenn ein bekannter Markenname aus dem Stadtbild verschwindet. Die Liste der Traditionsgeschäfte ist lang, die in Stuttgart aufgeben mussten. Entweder war ihre Zeit vorbei, die Konkurrenz zu groß, der Online-Handel zu stark oder eine internationale Kette hat dem über Generationen geführten Familienbetrieb keine Chance mehr gelassen.

Seit Anfang des neuen Jahres ist Spielwaren Kurtz nach 188 Jahren für immer geschlossen. Dr. Matthias Engel hat in dem Traditionsgeschäft „viele Stunden als Kind und später als Kunde verbracht“, wie er uns schreibt. Die Nachricht vom Ende hat ihn getroffen. „Umso mehr hat es mich gefreut, heute im Schrank eine Tüte des Fachgeschäfts zu finden“, fährt er in seiner Mail fort. Vielen Dank für das Foto davon! Die Tüte, vermutet er, dürfte aus den 1990ern stammen und schreibt weiter: „Nun hat die Tüte also einen überraschenden Wertgewinn, zumindest subjektiv.“

„Soll die Ehe glücklich sein, kauf bei Kurtz die Ringe ein“

Von Barth bis Haufler, von der Lerche bis Juwelier Kurtz, von Breitling bis Zahn und Nopper - so viele klangvolle Namen sind aus Stuttgart verschwunden. Wir wollen heute an diese Traditionsgeschäfte erinnern.

Eine dieser untergegangenen Marken hieß ebenfalls Kurtz. „Soll die Ehe glücklich sein, kauf bei Kurtz die Ringe ein“ - der Werbespruch des Juweliergeschäfts klingt vielen noch im Ohr. 1868 hat Carl Kurtz zusammen mit seinem älteren Bruder Julius eine Goldschmiedewerkstätte in der Charlottenstraße eröffnet. 1876 wurde die Werkstatt in die Eberhardstraße verlegt, seit 1927 war sie am bekannten Standort - bis Ende 2003. als es vorbei war mit dem „Glücklichsein“ bei Kurtz. Der letzte Inhaber Georg Koch musste den Insolvenzantrag stellen.

Vor Breitling befand sich das Modehaus Spiecker

Am Marktplatz hat sich 2020 der Herrenausstatter Breitling nach 71 Jahren verabschiedet. Auf Fotos aus den 1960er Jahren sieht man, dass gar nicht Breitling die Pole Position auf dem Marktplatz eingenommen hat. Davor befand sich ein weiteres Modegeschäft – nämlich Spiecker. Beim Umbau des Marktplatzes im Jahr 1974 wurde das vordere Gebäude abgerissen für die Rückkehr des Marktplatzbrunnens vom Wilhelmsplatz und für eine größere Freifläche vor dem Rathaus. Breitling konnte sich gleichzeitig vergrößern. Spiecker zog in das Haus von Hugendubel einige Schritte weiter.

Das Modehaus Spiecker ist 1936 zu diesen Namen gekommen. Der Vorbesitzer Albert Landauer war Jude. Er wanderte mit seiner Frau und drei Kindern nach England aus, um der Verfolgung durch das NS-Regime zu entgehen. Walther Spiecker übernahm sein Geschäft am Marktplatz. Mit Verkäufen weit unter dem Wert versuchten viele Juden zwischen 1936 und 1938, wenigstens noch Mittel für die Ausreise auf die Hand zu bekommen, um der entschädigungslosen Enteignung und dem Abtransport in ein Konzentrationslager zu entgehen.

2004 hat die Lerche für immer geschlossen

Der Marktplatz ist ein Ort des Wandels. Direkt gegenüber von Breitling hat Haufler Anfang 2015 nach 120 Jahren für immer geschlossen.„Die Generation 40-Plus und die alteingesessenen Stuttgarter bedauern unseren Weggang sehr“, sagte damals Geschäftsführerin Christiane Haufler-Becker, „aber die Jungen brauchen uns nicht mehr. Die kaufen im Internet ein.“

In der City mussten in den vergangenen Jahren zahlreiche Fachgeschäfte unter dem Druck des harten Wettbewerbs aufhören. Eine Legende trat 1995 ab: Das 1878 gegründete Musikhaus Radio Barth musste Insolvenz anmelden. Auch die Lerche hat Generationen von Stuttgartern geprägt. Viele haben dort große Teile ihres Taschengeldes abgeliefert. Es gab sogar drei Lerchen auf der Königstraße. Das Internet stürzte die Musikindustrie in eine tiefe Krise, die am Ende auch die Lerche verstummen ließ. 2004 musste das einstmals größte Radio- und Fotohaus Süddeutschlands für immer schließen. Der Preiskampf gegen die Branchenriesen und Mediamärkte war endgültig verloren.

So viele klangvolle Namen sind verschwunden

Noch mehr klangvolle Namen sind verschwunden: Radio Knörzer, Knagge und Peitz, Schirme Hugendubel, May & Edlich, Sport Endress, Lederwaren Waldbauer, Hirrlinger, das Teppichhaus Orient-Dayss, Foto Weizsäcker, Schuh Schöpp, Zahn und Nopper, Nanz, Weise’s Hofbuchhandlung, Hanke & Kurtz, Hetzel-Reisen, Elektro-Ziegler, das Modehaus Fischer und und und.

Auch wenn diese Traditionshäuser nicht überlebt haben - vergessen sind sie von vielen nicht.

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