Die erste Fahrt der Straßenbahn am 9. April 1976 Foto: SSB-Archiv

Als Einkaufsparadies ist die Klett-Passage vor 40 Jahren bejubelt worden, „eines Partners der Welt würdig“, wie OB Rommel fand. Erstmals konnte man bis 22 Uhr shoppen – die Strambe sah den Bahnhof nur noch von unten. Als „nobel“ galt die Unterwelt, die zum Brennpunkt wurde, den viele meiden.

Stuttgart - Von Feinstaub spricht zu dieser Zeit niemand. In der Autostadt gelingt vier Rädern mit Motor alles – sie haben Vorfahrt vor allen anderen Verkehrsmitteln. Die Straßenbahnen und Menschen sollen nicht stören und werden in Tunnel und unterirdische Fußgängerzonen verbannt. Lange bevor das Bahnprojekt Stuttgart 21 die Stadt spaltet, wird in der Maulwurf-Metropole heftig gebuddelt und gebaggert. In den 1970ern wird Stuttgart zur „Stadt der Buddelbrooks“ – zur „Stadt zwischen Löchern und Gräbern“.

Bereits 1961 hat der Gemeinderat beschlossen, die zentralen Strecken des öffentlichen Nahverkehrs tieferzulegen. „Oben bleiben“, ruft noch keiner. Aber es traut sich auch niemand, die ersten Versuche des unterirdischen Vorwärtskommens als „U-Bahn“ zu bezeichnen.

Man nennt die neuen Linien „U-Straßenbahn“ – denn die Wagen schauen immer wieder raus aus der Erde, als müssten sie Luft schnappen, ehe es wieder nach unten geht.

Operation am offenen Herzen in der City

Am 2. Juli 1962 beginnt die Stadt am Charlottenplatz damit, ihre City zu unterkellern. Es wird eine Operation am offenen Herzen – trotz Großbaustelle soll es nicht zum Verkehrsinfarkt kommen. Im Mai 1966 wird die Jungfernfahrt zwischen Holzstraße und Staatstheater gefeiert. Zehn Jahre später – am 9. April 1976 – beginnt eine neue Zeitrechnung am Bahnhof: Nach fast 90 Jahren ist der Vorplatz des Bonatz-Baus „straßenbahnfrei“. Die U-Haltestelle Hauptbahnhof/Arnulf-Klett-Platz wird preisend mit einer schönen Rommel-Rede eröffnet. Gleichzeitig feiert die Stadt das „bundesweit modernste und größte Fußgängergeschoss“ mit 32 Geschäften – die Passage, die nach dem früheren OB Arnulf Klett benannt ist. Bis 22 Uhr darf man hier Käufer erfreuen, was in den Anfangsjahren durchaus gelingt. Schon bald werden „nicht unerhebliche Umsatzsteigerungen“ gemeldet.

Dies ist nun 40 Jahre her. Heute hingegen, so schreibt Andreas Betsch im Internetforum des Stuttgart-Albums, des Geschichtsprojekts unserer Zeitung, „ist die Klett-Passage ein heruntergekommener, nahezu kriminell anmutender Unort Stuttgarts“. Als „Willkommenstor vom Bahnhof zur Innenstadt“ sei die einst hochgelobte Ladenpassage „völlig ungeeignet“. Etliche Kommentatoren des Stuttgart-Albums pflichten ihm bei und fordern den radikalen Umbau.

Im April 1976 misst die Länge aller SSB-Tunnelstrecken lediglich acht Kilometer. Noch verschwinden unter provisorischen Rampen die Gleise vorm Ende der unteren Königstraße in der Tiefe gen Bahnhof.

Stück für Stück kommen die Maulwürfe voran und zeigen den großen Gelben ihren Weg nach unten: Seit 1978 sind auf der unteren Königstraße die Fußgänger unter sich, seit 1979 auch auf dem oberen Teil.

Zum 40. Geburtstag der Ladenpassage feiern die Mietervereinigung der Geschäfte und die SSB am 15. und 16. April das Jubiläum „eines immer noch attraktiven Einkaufszentrums für den täglichen Bedarf“. Meinen sie das wirklich? Und es gibt neue Pläne: Die Klett-Passage soll mit Stuttgart 21 mehr Höhe und mehr Tageslicht bekommen, damit keiner ihr mehr ausweicht.

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