Christian Meir (links) und Wolfgang Weiß freuen sich über ehrenamtliche Helfer. Foto: Jacobs

So viel Hilfe wie nötig, so viel Freiheit wie möglich. Danach arbeitet der Betreuungsverein Filder.

Vaihingen - Es ist nur ein konstruierter Fall. Aber genau so, wie Wolfgang Weiß, Geschäftsführer des Betreuungsvereins Stuttgart Filder, den Beispielfall schildert, könnte er sich innerhalb der nächsten halben Stunde in den Räumen des Betreuungsvereins abspielen: „Dann steht auf einmal jemand bei mir oder einem meiner Kollegen im Büro und braucht einen Betreuer.“ Ein Betreuungsgericht hätte zuvor auf Grundlage eines psychologischen Gutachtens entschieden, dass der Betroffene wichtige Angelegenheiten seines Alltags nicht mehr allein regeln könne. Bei Senioren ist meist Altersdemenz der Grund dafür, bei jüngeren Menschen eine psychologische Erkrankung.

Oft gibt es keine nahen Verwandten, die diese Aufgaben übernehmen können. In manchen Fällen, besonders bei psychisch Erkrankten, sei es aber auch durchaus sinnvoll, dass ein Außenstehender die Betreuung übernehme. „Dann, wenn der Leidensdruck innerhalb der Familie groß ist“, sagt Weiß. In der Regel sind die Folgen der Erkrankung nicht das einzige Problem für die Betroffenen. Viele haben Schulden, meistens durch Verträge, deren Verpflichtungen sie nicht mehr bezahlen können. „Wir bekommen selten Fälle, in denen der Betroffene nicht gleich mehrere Handyverträge gleichzeitig laufen hat“, schildert Weiß. Hinzu kommen vielfach Probleme mit dem Vermieter oder bei der Arbeit.

Betroffener bleibt weitgehend selbstständig

In jedem Fall befinden sich diese Menschen in einer Lage, in der sie alleine nicht mehr zurecht kommen. Sie brauchen Unterstützung für ihre finanziellen und rechtlichen Angelegenheiten. Bis 1992 bedeutete dies, dass sie entmündigt wurden und ein Vormund die Entscheidungen für sie traf. Mit dem Betreuungsgesetz, das seit Januar 1992 in Kraft ist, bleibt der Betroffene nun weiterhin geschäftsfähig. „Er bekommt lediglich in den Angelegenheiten Unterstützung, die er nicht mehr selbst bewältigen kann“, sagt Wolfgang Weiß.

Konkret bedeutet dies, dass jeder Fall individuell bewertet wird. „Wir wollen, dass die Betroffenen weiterhin so viel wie möglich selbst erledigen“, sagt Weiß. Kann ein Betroffener noch aufs Amt gehen und dort etwas beantragen? „Dann soll er es tun“, sagt Weiß. „Nur wenn er nicht mehr dazu in der Lage ist, begleiten wir ihn.“ Seit der Gesetzesänderung 1992 steht der betroffene Mensch im Mittelpunkt. „Zuvor lag das Augenmerk darauf, die Gesellschaft vor Querulanten zu schützen“, schildert Weiß. „Heute gewährt man den Betroffenen so viel Freiheit wie möglich.“

Bedarf übersteigt die Kapazitäten

Weil diese Freiheit professionelle Unterstützung braucht, bildeten sich 1992 überall im Land Betreuungsvereine. So auch der Betreuungsverein Stuttgart Filder mit Sitz in Vaihingen. Sein Einsatzgebiet erstreckt sich von Vaihingen bis Heumaden. Sechs hauptamtliche Betreuer und 80 Ehrenamtliche kümmern sich um rund 200 Betreuungsfälle. „Der Bedarf nach Betreuung ist größer, aber wir haben nicht mehr Kapazitäten frei“, sagt Weiß.

„40 der Ehrenamtlichen sind Angehörige von Betreuten, die anderen 40 sind klassische Ehrenamtliche“, sagt Christian Meir. Er kümmert sich im Betreuungsverein um die Freiwilligen, organisiert Schulungen und Treffen.

Viele von ihnen sind Rentner, die nach dem Ausstieg aus dem Berufsleben eine sinnvolle Tätigkeit suchen. Bedarf an Ehrenamtlichen ist immer da. Die Erfahrung mit ihnen ist auch durchweg positiv – „die ganz schwierigen Fälle übernehmen bei uns aber die Hauptamtlichen“, sagt Christian Meir.

BETREUUNGSVEREIN FILDER

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Roland Butteweg Gründungsjahr
1992 Mitgliederzahl
25/80 Ehrenamtliche