Eine S-Bahn fährt in Stuttgarter Hauptbahnhof ein. Foto: dpa

Was tun, wenn der S-Bahn-Tunnel blockiert ist? Die Bahn kündigt einen neuen Notfallplan an.

Stuttgart - Die Deutsche Bahn will zeitgleich mit dem Stresstest auch das künftige Notfallkonzept für die S-Bahn vorlegen. Das galt bisher aus Zeitgründen als unsicher. Die Grünen kritisieren die bisherigen positiven Aussagen zum Stresstest als "voreilig" und ungenügend.

Wenn am 14.Juli im Rathaus die Ergebnisse des Stresstests für den geplanten Tiefbahnhof von Stuttgart21 und den neuen Bahnknoten präsentiert und diskutiert werden, sollen nicht nur Fern- und Regionalzüge, sondern auch die S-Bahn zur Sprache kommen. "Die Bahn wird auch das Notfallkonzept für die S-Bahn vorstellen", kündigte S-21-Projektsprecher Wolfgang Dietrich am Donnerstag an.

Größte Herausforderung im Betrieb

Bisher ging man davon aus, dass das Konzept nicht rechtzeitig fertig wird. Bei der bisher letzten Sitzung des Lenkungskreises zum Stresstest am 16.Juni teilten die Vertreter der Deutschen Bahn den Projektpartnern von Land, Stadt und Region mit, dass man erst Ende Juni wisse, ob das Konzept "termingerecht zum 14.Juli" fertig werde.

Das Notfallkonzept ist fester Bestandteil des Schlichterspruchs. "Auch für den Fall einer Sperrung des S-Bahn-Tunnels oder des Fildertunnels muss ein funktionierendes Notfallkonzept vorgelegt werden", hatte S-21-Schlichter Heiner Geißler der Bahn am 30.November 2010 für die Fortführung ihres Projekts als "unabdingbare Verbesserung" ins Stammbuch geschrieben.

Tag für Tag nutzen über 300.000 Menschen die Stuttgarter S-Bahn. Sie ist das Rückgrat im öffentlichen Nahverkehr. Die sogenannte Stammstrecke im 2,7 Kilometer langen Tunnel zwischen den Stationen Hauptbahnhof und Schwabstraße wird von allen sechs Linien befahren; der weitere, rund fünf Kilometer lange Tunnel von drei Linien. Eine Sperrung dieser Tunnel wegen eines Defekts oder Unglücks gilt als größte Herausforderung im Betrieb.

Projektsprecher kritisiert Verkehrsminister

Nach dem bisherigen Notfallkonzept können von 24 S-Bahn-Zügen, die maximal pro Stunde den Hauptbahnhof ansteuern, zehn Züge alternativ den oberirdischen Hauptbahnhof anfahren. Das funktioniert mit Stuttgart21 nicht mehr. Der neue Tiefbahnhof ist - nach bisheriger Planung - nicht mehr mit der Gäubahn verbunden. Die einzige Möglichkeit, in Richtung Süden aus dem Talkessel auszufahren, ist künftig der rund zehn Kilometer lange Fildertunnel zwischen Tief- und Flughafenbahnhof.

Eine Bedingung dafür, dass auch S-Bahnen die rund zehnminütige Fahrt durch den Fildertunnel antreten können, ist die zusätzliche Ausstattung des Tunnels mit konventioneller Leit- und Sicherungstechnik. Die Bahn geht von einer zusätzlichen Investition von rund 15 Millionen Euro aus. Die Doppelausstattung dürfte beschlossene Sache sein. Andernfalls müsste jede S-Bahn mit dem Zugsteuerungssystem ETCS nachgerüstet werden, das in Zukunft im europaweiten Bahnverkehr Standard ist.

Projektsprecher kritisiert Verkehrsminister

Wie und wie viele S-Bahnen den Fildertunnel im Notfall nutzen können, ohne den regulären Zugverkehr aus dem Takt zu bringen, muss die Bahn im Notfallkonzept nachweisen. "Wir erwarten, dass S-Bahn-Reisende auch dann mit akzeptablem Aufwand ihr Ziel erreichen", betont Jürgen Wurmthaler vom Verband Region Stuttgart. Er hält die absolute Zahl der S-Bahnen, die im Notfall den Tiefbahnhof anfahren, für nicht entscheidend. Im Zweifelsfall könnte es besser sein, wenn S-Bahn-Passagiere auf einen regulär verkehrenden Zug umsteigen. "Wir benötigen ein flexibles Notfallkonzept, das sich wechselnden Kapazitäten im Tiefbahnhof anpassen kann", sagt Wurmthaler.

S-21-Projektsprecher Dietrich erneuerte die Kritik an Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Dessen Aussage, er wisse noch nichts vom positiven Ausgang des Stresstests, halte er für "falsch", so Dietrich. Nach dem letzten Lenkungskreis habe der Minister "gewusst, dass die Bahn davon ausgeht, den Test zu bestehen", sagte Dietrich. Nach der Präsentation des Tests Mitte Juli erwarte er, dass alle Beteiligten die Ergebnisse der Gutachter "respektieren und akzeptieren".

Die bisherigen Informationen der Bahn, die ein positives Stresstestresultat suggerierten, seien "voreilig und bei weitem nicht aussagekräftig", sagte Andreas Schwarz, stellvertretender Vorsitzender der Grünen-Fraktion im Landtag. "Die erforderliche und versprochene Kapazitätserweiterung ist eine wichtige, aber nicht hinreichende Bedingung für einen guten Bahnhof", so Schwarz. Das abschließende Urteil zu Stuttgart 21 stehe noch lange nicht fest.