Nach einer aufregenden Nacht laden Arbeiter den Bohrer auf den Fildern ab. Foto: Leif Piechowski

Nach einer langen Nacht hat das Herzstück der Tunnelbohrmaschine am frühen Freitagmorgen das Portal der Röhren auf den Fildern erreicht. Fürs Anliefern der restlichen Bauteile ist im nächsten Jahr möglicherweise noch ein weiterer Schwertransport notwendig.

Nach einer langen Nacht hat das Herzstück der Tunnelbohrmaschine am frühen Freitagmorgen das Portal der Röhren auf den Fildern erreicht. Fürs Anliefern der restlichen Bauteile ist im nächsten Jahr möglicherweise noch ein weiterer Schwertransport notwendig.

Stuttgart - „Jetzt wo schdod des Deng?“ – Der Mann zückt seinen Fotoapparat, er ist eigens gekommen, um das Ding abzulichten. Doch wo steht der Tunnelbohrer? „Do vorna“, antwortet ein anderer. Da vorne heißt: gut 100 Meter weg vom Bauzaun am Radweg nach Leinfelden hinter ein paar Containern. Das Herzstück der Fräse, die sich von den Fildern zum Hauptbahnhof graben soll, ist kaum auszumachen. Gegenüber den Zementsilos der Baustelle wirkt der Bohrer geradezu mickrig. Arbeiter laden das 170 Tonnen schwere Hauptlager vom Sondertransporter ab, doch der Koloss bleibt in seiner blauen Schutzhülle verpackt.

In der Nacht zuvor war mehr Betrieb auf dem Weg zur Baustelle. Stundenlang hatten Demonstranten den Schwertransport begleitet. Mehrere S-21-Gegnergruppen hatten Proteste angekündigt. Eine Initiative garnierte dabei ihren Aufruf im Internet mit einem Ausschnitt aus der Comicverfilmung „300“ des US-Regisseurs Zack Snyder. „Genau hier werden sie untergehen“, schwört in dem historischen Schlachtenfilm König Leonidas seine Männer auf den Kampf gegen die Perser ein. Ganz so dramatisch wurde es auf den Fildern nicht. An der Zufahrt zum Gelände im Fasanenhof hatten sich 88 Menschen bei eisiger Kälte auf dem Boden niedergelassen, um den Weg zu versperren. Die Polizei musste elf von ihnen wegtragen, die anderen ließen sich von der Fahrbahn führen.

Als der Schwertransport schließlich kurz vor 2 Uhr eintraf, befanden sich noch immer Schaulustige und Demonstranten an der Zufahrt. Zentimeterweise ging es vorwärts – nicht wegen der Proteste, sondern wegen der schmalen Straße, zahlreicher Verkehrsschildern, die entfernt werden mussten, und der engen Zufahrt. Es dauerte bis kurz vor 3 Uhr morgens, bis die Maschine unter den Pfiffen der Beobachter die Baustelle erreichte. 300 Polizeibeamte hatten sie bis dahin begleitet und geschützt. Für Polizeisprecher Stefan Keilbach eine „gut vorbereitete“ Aktion: „Wir sind mit dem Verlauf sehr zufrieden.“

Von Januar an werden die restlichen Einzelteile geliefert

Dasselbe wünscht sich die Bahn in den nächsten Jahren beim Bau des insgesamt 9,5 Kilometer langen Fildertunnel, von denen zwei Röhren à 7,7 Kilometer fast durchgängig gebohrt werden. Das gigantische Spezialgerät der Firma Herrenknecht soll die Gewähr dafür bieten. Das Hauptlager, das jetzt angeliefert wurde, bildet das größte Einzelteil des im Endzustand 120 Meter langen und 2000 Tonnen schweren Tunnelbohrers. Laut Bahn werden von Januar an die restlichen Einzelteile geliefert. Vielleicht sei noch ein Schwertransport notwendig, sagt ein S-21-Sprecher. „Das endgültige Transportkonzept steht noch nicht ganz fest.“ Danach wird der Koloss montiert. „Erfahrungsgemäß muss man dafür etwa ein Quartal einplanen“, so der S-21-Sprecher weiter.

Gegraben werden soll ab Mitte 2014 nach folgendem Plan: Die Maschine wird sich rund vier Kilometer Richtung Hauptbahnhof fräsen. Dann beginnt laut Bahn der kritische Untergrund mit quellfähigem Gipskeuper. In diesem Übergangsbereich graben sich die Bergleute gut einen Kilometer weit mit herkömmlichen Verfahren vorwärts. Der Querschnitt ist hier größer, weil der Tunnel zum problematischen Erdreich hin abgedichtet werden muss. In der Zwischenzeit wird die Bohrmaschine aus dem Tunnelteilstück gezogen und an der parallel verlaufenden Röhre angesetzt. Erreichen die Bergleute hier den kritischen Bereich, haben Kollegen den größeren Stollen vorbereitet, so dass der Tunnelbohrer gewissermaßen durchfahren kann. Im Tal wird die Maschine dann in einer sogenannten Wendekaverne auseinander gebaut und in entgegengesetzter Richtung wieder zusammengesetzt, um dann die restlichen gut dreieinhalb Kilometer bergan zu graben. Spätestens Ende 2020 müssen die Röhren für den Probebetrieb fertig sein.

Am Freitagabend kehrt am Tunnelportal endgültig Ruhe ein. Die Dezembersonne senkt sich über die Filder.. Für manchen hat sich der Spaziergang nicht wirklich gelohnt.