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Polizei setzt Tränengas und Pfefferspray ein. Parkschützer: Bis zu 400 Verletzte.

Stuttgart - Bei der Räumung des Schlossgartens für das Bahnprojekt Stuttgart 21 sind am Donnerstag zahlreiche Demonstranten leicht verletzt worden. Die Polizei setzte Tränengas, Pfefferspray und Wasserwerfer ein, um sich den Weg durch den Park zu bahnen und Absperrgitter aufzustellen.

Fritz Mielert, ein Sprecher der Parkschützer, sprach von 300 bis 400 Menschen, die bis zum Nachmittag leichte Augenverletzungen erlitten. Darunter seien auch Schüler, die am Vormittag an dem Protest teilgenommen hatten. Ein Mädchen habe eine Gehirnerschütterung erlitten, sagte Matthias von Herrmann, ein anderer Sprecher der Demonstranten: „Es wurde kein Unterschied zwischen Jugendlichen und Erwachsenen gemacht.“

Hinter den Fronten entstand im Laufe des Nachmittags eine Art Lazarett für Verletzte. Bis zu 400 Menschen hätten Augenreizungen oder Verletzungen erlitten, heißt es bei den Parkschützern. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so wehtut“, erzählt die 41-jährige Patricia, die bei der Sitzblockade den Wasserstrahl ins Gesicht bekam. Doch aufgeben will kaum jemand. Der Parkschützer Herrmann hofft darauf, dass noch viel mehr Menschen in den Schlossgarten kommen: „Masse zählt, weil die Polizei nicht tausende Leute räumen kann.“

Polizei: "Es sind Steine geflogen"

Die Polizei konnte noch keine Verletztenzahl nennen. Es gebe aber auch Gewalt gegen Beamte, sagte eine Sprecherin: „Es sind Steine geflogen.“ Ob dabei Polizisten verletzt wurden, konnte sie nicht sagen. In einer Pressemitteilung der Polizei Stuttgart hieß es unterdessen, dass von einzelnen Teilnehmern Reizgas gegen Beamte eingesetzt worden sei und diese dadurch verletzt worden seien.

Opposition übt massive Kritik

Indes kommt von verschiedenen Seiten Kritik am Vorgehen der Polizei: Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir sprach am Donnerstag von einer "brutalen Bulldozer-Politik", durch die die Auseinandersetzung nur noch schärfer und schwieriger werde. Der Generalsekretär der SPD Baden-Württemberg, Peter Friedrich, sprach von einer "vollkommen unnötigen Eskalation", die den Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) "keinen Schritt näher an Stuttgart 21 bringt".

Die frühere Verdi-Landesvorsitzende Sybille Stamm berichtete von massiven Gewalteinsatz bei der Auflösung von Blockaden. Sie habe neben Demonstranten gestanden, die sich an einen Zaun gekettet hatten, und sei ohne Vorankündigung von Polizisten zu Boden geworfen, getreten und mit Tränengas besprüht worden. „Das habe ich seit '68 nicht erlebt“, sagte Stamm.

Der Vize-Fraktionschef der Linken im Bundestag, Ulrich Maurer, forderte den Rücktritt von Innenminister Heribert Rech (CDU): "Wer versucht, angemeldete Schülerdemos mit Schlagstöcken, Reizgas und Wasserwerfern aufzulösen, hat mit der Demokratie gebrochen und muss als Innenminister seinen Hut nehmen." Rech habe einen Einsatz zu verantworten, "wie man ihn sonst nur aus Diktaturen kennt".

"Erschüttert" zeigten sich auch der evangelische Landesbischof Frank Otfried July und der katholische Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, über die Eskalation. Sie riefen alle Parteien auf, "unverzüglich vom Einsatz gewalttätiger und illegaler Mittel Abstand zu nehmen".