Der VCD-Landesvorsitzende Matthias Lieb hat die Positionen des Verbandes zum Ausbau des Schienenverkehrs vorgestellt. Foto: VCD

Der Verkehrsclub Deutschland hat den sechsten Jahrestag des Stuttgart-21-Baustarts zum Anlass für eine Bestandsaufnahme des Schienenverkehrs genommen.

Stuttgart - Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) und der Fahrgastverband Pro Bahn haben am Dienstag daran erinnert, dass vor genau sechs Jahren mit einer Prellbockanhebung die Bauarbeiten für das Bahnprojekt Stuttgart 21 starteten. Seitdem hätten sich die Probleme auf der Schiene verschärft. Es fehlten zusätzliche Kapazitäten.

„Die Bahn will mehr Fahrgäste gewinnen, die Bundesregierung will den Deutschlandtakt auf der Schiene, das Land die Zahl der Fahrgäste sogar verdoppeln“, sagte VCD-Landesvorsitzender Matthias Lieb beim Pressegespräch. Angesichts der Ziele sei es unverständlich, warum Engpässe nicht aufgelöst und warum keine zusätzlichen Kapazitäten geschaffen würden. Stattdessen werde vor der Landtagswahl wieder über weiteren Straßenbau gesprochen.

Reihe dringend nötiger Baumaßnahmen

Der VCD listete eine Reihe aus seiner Sicht dringend nötiger Baumaßnahmen auf. Eine Kapazitätserweiterung sei auch wegen der Umweltbelastung zum Beispiel durch Feinstaub nötig. Möglichst schnell sollten die Gleise 8 bis 10 im Hauptbahnhof umgebaut werden, auf denen es nach dem durch Stuttgart 21 bedingten Umbau und drei Entgleisungen Nutzungseinschränkungen gibt. Der Fahrplan im Kopfbahnhof sei nur unter irregulären Bedingungen fahrbar.

Um günstige Umstiege im Hauptbahnhof möglich zu machen, solle eine Lücke von vier Kilometern zwischen dem Tunnel Langes Feld (ICE-Strecke aus Mannheim) und dem Tiefbahnhof geschlossen werden. Damit könne die Fahrzeit nach Mannheim wie die nach Ulm auf 28 bis 30 Minuten gekürzt werden, eine Voraussetzung für den Deutschlandtakt, bei dem Umstiege zur vollen und halben Stunde angestrebt werden.

Teil des Kopfbahnhofs soll erhalten werden

Für die S-Bahn sieht Lieb die Notwendigkeit eines zweiten Bahnsteigs in der mit Stuttgart 21 neu entstehenden Haltestelle Mittnachtstraße. Außerdem solle der Bahnhof Feuerbach zwei Regionalbahnsteige erhalten. Damit könnte neben der bestehenden Verkehrsdrehscheibe zwischen Regionalverkehr, S-Bahn, Stadtbahn und Bus wie in Bad Cannstatt und der in Vaihingen geplanten eine dritte Drehscheibe entstehen.

Für absolut notwendig zur Erweiterung des Angebots hält der Verkehrsclub den Erhalt eines kleinen Teils des Kopfbahnhofs. Dann könnten die Gäubahn-Gleise weiterhin an die Innenstadt angeschlossen und könnte ein Notfallkonzept für den Ausfall von Teilen der S-21-Infrastruktur konzipiert werden. Außerdem ergäben sich neue Kapazitäten. „Alle Ballungsräume bauen ihre Infrastruktur für den öffentlichen Nahverkehr aus, nur in Stuttgart bemüht man sich seit 1994 darum, eine bestehende Infrastruktur durch eine andere zu ersetzen“, spricht Lieb Stuttgart 21 erweiterte Kapazitäten ab. „Ohne Erhalt von oberirdischen Gleisen wird es keine Verkehrsverlagerung weg vom Auto geben können, das muss der Stadt klar sein“, sagt Liebs Stellvertreter Klaus Arnoldi.

Pro-Bahn-Sprecher Andreas Kegreiß wirbt für eine „echte Pünktlichkeits- und Qualitätsoffensive“ bei der S-Bahn. Die Entscheidung, ob oberirdische Gleise in der City erhalten blieben, falle Anfang Mai vor Gericht. Die Stuttgarter Netz AG hat eine entsprechende Klage eingereicht.