Wasserrohre vor dem Hauptbahnhof: Die Bahn will unbegrenzt Wasser abpumpen Foto: dpa

Die Deutsche Bahn will bei ihrem Großprojekt vom Eisenbahn-Bundesamt die Genehmigung zu einer unbegrenzten Entnahme von Grundwasser aus dem Schlossgarten.

Stuttgart - Die Bahn will im Schlossgarten zum Bau ihres neuen Tiefbahnhofs 6,8 statt bisher genehmigter drei Millionen Kubikmeter Grundwasser abpumpen. Am Montag hat im Kongresszentrum der Landesmesse in vergleichsweise entspannter Atmosphäre die erneute Erörterung dieser beantragten Planänderung begonnen. Der erste, vom Regierungspräsidium (RP) moderierte Versuch der Verständigung zwischen Bahn, vom Bau betroffenen Bürgern und S-21-Gegnern war vor acht Wochen am Verhandlungsleiter gescheitert. Gegen ihn wurde der Vorwurf der Befangenheit laut. Die Erörterung war daher nach zwei Tagen abgebrochen worden.

Der zweite Anlauf startete am Montag mit einer ganz neuen Erkenntnis: Die Bahn hat nicht nur die 6,8 Millionen Kubikmeter beantragt, sondern will bei unerwartet hohen Wasserständen ohne Begrenzung abpumpen dürfen. Das Eisenbahn-Bundesamt (Eba) als Genehmigungsbehörde nennt das laut Unterlagen „Petrus-Faktor“.

Der Anwalt des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND), Tobias Lieber, zitierte am Montag aus Gesprächsprotokollen zwischen Eba und dem städtischen Umweltamt. Die Stadt spreche darin von einem „bundesweit noch nie beantragten Wasserrecht“. Sich je nach Wetterlage und Wasserandrang dynamisch entwickelnde Grenzwerte seien „einmalig“. Der im Umweltamt für den Grundwasserschutz zuständige Sachgebietsleiter Gerd Wolff habe das Eba gewarnt, „sehenden Auges Anträge zu genehmigen, welche den Mindestanforderungen nicht genügen“.

BUND: Alte Umweltverträglichkeitsprüfung nicht mehr akzeptabel

Josef-Walter Kirchberg, Anwalt im Auftrag der Bahn, bestätigte den Sachverhalt. Man habe die Erwartung, „mehr entnehmen zu können, wenn es ein Grundwasser-Hochwasser“ gibt. Hintergrund: Mit Wasser volllaufende Baugruben könnten enorme Schäden und Zeitverzug auslösen.

Hauptkritikpunkt des BUND und weiterer S-21-Gegner war am Montag aber nicht der „Petrus-Faktor“, sondern die aus Sicht des BUND fehlende Umweltverträglichkeitsprüfung. Die Bahn hat eine solche vor mehr als zehn Jahren geleistet und beharrt darauf, dass sie heute noch gilt. Man bewege sich mit den 6,8 Millionen Kubikmetern noch in dem vom Gesetz zur Umweltverträglichkeitsprüfung beschriebenen Rahmen, der von 100 000 bis zehn Millionen Kubikmeter reiche, argumentierte Kirchberg.

Die Gegner sehen das anders. Weil neuere Untersuchungen ergeben haben, dass der Boden im Schlossgarten eine um den Faktor 30 bis 50 größere Wasserdurchlässigkeit zeige als bisher berechnet, sei die alte Untersuchung nicht mehr akzeptabel. Sollte keine neue erfolgen, das Eba die Mehrmenge aber dennoch genehmigen, werde das zu einer erneuten gerichtlichen Auseinandersetzung führen, deutete Anwalt Lieber an.

Scharfe Kritik am Eisenbahn-Bundesamt

Auch der Verhandlungsleiter Michael Trippen, Referatsleiter im Regierungspräsidium, will von der Bahn erfahren, „woher sie annimmt, dass diese neue Menge jetzt der Weisheit letzter Schluss ist“. Trippen zeigte sich den Fragen aus dem Publikum aufgeschlossen. Er werde die Sache S 21 nicht durchwinken. Er sei als Landesbeamter seinem Eid verpflichtet, nicht einer Projektförderpflicht des Landes. „Ich exekutiere keine politisch pigmentierten Vorgaben“, sagte Trippen. Er leitet die Erörterung, die bis mindestens Donnerstag jeweils von 9 bis 19 Uhr angesetzt ist, zusammen mit Gertrud Bühler. Die Juristin ist im RP Leiterin der Abteilung Wirtschaft und Infrastruktur.

Scharfe Kritik aus dem Publikum handelten sich das Eisenbahn-Bundesamt und dessen für Stuttgart zuständige Juristin Barbara von Eiken ein. Das Eba habe, sagte sie, entschieden, dass eine Vorprüfung zur Umweltverträglichkeit (UVP) nicht nötig sei. Diese Entscheidung und der Entscheidungsweg wurden aber nie bekanntgegeben. Die Behörde müsse ihre Entscheidung bekanntmachen, sagte Anwalt Lieber. Der Begriff UVP-Prüfung tauche in keinem Dokument oder Gesprächsprotokoll des Eba auf. „Es gab keine“, behauptet Lieber. Von Eiken räumte ein, dass es zu der Entscheidung über die Vorprüfung „keine Akte und kein Dokument“ gebe.

Laut Michael Trippen reiche es aus, wenn das Eba seine Dokumentation über die Umweltverträglichkeits-Entscheidung beim Beschluss über den geänderten Bauantrag nachliefert. Viele Bürger können das nicht nachvollziehen. Trippen zeigte Verständnis: „Die Entscheidung muss dokumentiert sein, weil der Bürger den Entscheidungsvorgang überprüfen können muss“. Juristisch strittig sei, „ab welchem Zeitpunkt“.