Gut gelaunt trotz Mehrkosten: Bahn-Chef Rüdiger Grube und Ministerpräsident Stefan Mappus nehmen am Dienstag Stellung zur Neubaustrecke Wendlingen - Ulm Foto: dpa

Die Strecke von Wendlingen nach Ulm wird 865 Millionen Euro teurer als veranschlagt.

Stuttgart - Die geplante ICE-Strecke von Wendlingen nach Ulm wird 865 Millionen Euro teurer. Bahn-Chef Rüdiger Grube und Ministerpräsident Stefan Mappus nahmen am Dienstag dazu Stellung. Die Stuttgart-21-Gegner veröffentlichten eine Studie, nach der die neue Infrastruktur "nur sehr schwer beherrschbar" ist.

Die Mehrkosten für die 60 Kilometer von Wendlingen nach Ulm seien "vertretbar und begründbar", sagte Mappus (CDU) bei einer Pressekonferenz am Flughafen. Im Jahr 2004 waren Baukosten von 2,025 Milliarden Euro angenommen worden. Jetzt sind es 2,89 Milliarden. Das Land zahlt bis 2016 einen Festbetrag von 950 Millionen Euro und werde darüber hinaus keine weiteren Zuschüsse gewähren, versichert Mappus. Alle weiteren Kosten für die Hochgeschwindigkeitsstrecke muss nach 2016 der Bund übernehmen.

Gegner veröffentlichen Gutachten

Laut Grube entfallen 200 Millionen Euro der Mehrkosten auf Preissteigerungen, 665 Millionen auf teurere Tunnel, 25 zusätzliche Fluchtwege Brücken und Eisenbahntechnik wie ein neues System zur Zugsteuerung.

Die Neubaustrecke schließt in Wendlingen an das Bahn-Projekt Stuttgart 21 an. Bei diesem werden für 4,1 Milliarden Euro die Strecke Feuerbach-Wendlingen sowie der Flughafenbahnhof und der tiefergelegte Durchgangsbahnhof in der Stadt gebaut.

Die Gegner von Stuttgart 21 haben am Dienstag ein von der Landesregierung unter Verschluss gehaltenes Gutachten veröffentlicht ( www.kofbahnhof-21.de). Die landeseigene Nahverkehrsgesellschaft hatte es 2008 bei dem renommierten Schweizer Büro SMA in Auftrag gegeben. Es sollte die Leistungsfähigkeit des Neubaus vor allem mit Blick auf den Nahverkehr untersuchen.

"Wir würden nicht für nur zwei ICE pro Stunde bauen"

Das Gutachten sieht beim achtgleisigen Bahnhof, am Flughafen, auf der Gäubahn und bei der Einbindung der von Tübingen kommenden Strecke bei Wendlingen teils erhebliche Probleme. "Aufgrund der Brisanz der vorliegenden Resultate ist absolutes Stillschweigen erforderlich", notieren die Gutachter am 5. Juni 2008 nach einem Gespräche mit dem Auftraggeber und Vertretern von DB Fernverkehr und DB Netz.

Die neue Infrastruktur sei "knapp dimensioniert", die Gestaltung des Fahrplans "nur in geringem Maße möglich". Es würden "hoch belastete eingleisige Abschnitte" gebaut. Die Züge müssten "gegen starke Steigungen anfahren, so dass Störungen schnell übertragen werden". Der neue Tiefbahnhof habe "nur geringe Pufferkapazitäten", weitere Angebote seien daher "nur sehr bedingt realisierbar". Die Fachleute sahen im Neubau ein "hohes Stabilitätsrisiko" für den Fahrplan, der "nur in sehr geringem Maße" gestaltet werden könne.

Das Land hatte 2009 mit weiteren Untersuchungen auf das Gutachten reagiert und dem Tiefbahnhof eine "ausreichende Dimensionierung" bescheinigt. Für alle Verbindungen ergäben sich kürzere Fahrzeiten.

"Wir würden nicht für nur zwei ICE pro Stunde bauen"

Berthold Frieß von Bund für Umwelt und Naturschutz sowie Sabine Lacher für Pro Bahn und Klaus Arnoldi vom Verkehrsclub Deutschland zogen am Dienstag einen andern Schluss. Da sich die Neubaupläne seit 2008 nicht verändert hätten, die Probleme sich aber aus der Infrastruktur ergäben, gebe es weiterhin Probleme. Dazu zählten Fahrzeitverlängerungen beim ICE nach Zürich, wegen belegter Gleise lange Haltezeiten im Bahnhof, und nur Platz für zwei Fernzüge pro Stunde nach Ulm. Sie fordern die sofortige Einstellung der Bauarbeiten für Stuttgart 21. Die Grünen im Landtag schlossen sich an und wollen eine Stellungnahme der Regierung. Die neue Kostenprognose ist für die Projektgegner nicht nachvollziehbar. Vergleiche man sie mit Nürnberg-Ingolstadt, müsste Wendlingen-Ulm über vier Milliarden Euro kosten, so Frieß.

Bahn-Chef Grube erklärte am Abend, er kenne das SMA-Gutachten nicht. "Wir würden nicht für nur zwei ICE pro Stunde bauen, dann müsste ich empfehlen, das Projekt zu beenden", sagte Grube. Verkehrsministerin Tanja Gönner, CDU, erklärte, sie gehe davon aus, "dass einige der Dinge, die im Gutachten angesprochen werden, verbessert worden sind".

Die Bahn will im August wie angekündigt den Nordflügel des alten Hauptbahnhofs abreißen. Das werden den Widerstand nicht brechen, sagt der Grünen-Bundestagsabgeordnete Winfried Hermann, der ein eigenes Kostengutachten für September ankündigt. Der Architektur-Professor Roland Ostertag erinnerte daran, dass 50 international renommierte Architekten einen Protest gegen die "Verstümmelung des Hauptbahnhofs" unterzeichnet hätten.

Der Technikausschuss des Gemeinderates wurde am Dienstag über Änderungen am Tiefbahnhof informiert: Eingänge werden bis zu 3,40 Meter niedriger und 14 Meter schmäler. Auf die Bahnsteige führen zwei statt einer Treppe, der Abstand zur Bahnsteigkante wächst von 2,05 auf 2,86 Meter.