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Stuttgart 21: SPD attackiert Minister Hermann - BUND stellt Eilantrag beim Verwaltungsgerichtshof.

Stuttgart - Knapp vier Wochen vor der Volksabstimmung zu Stuttgart21 wird die Tonlage gereizter. Claus Schmiedel, SPD-Fraktionschef im Landtag, hat Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Dienstag eine "unseriöse Stimmungsmache" vorgeworfen. Anlass war die Ankündigung Hermanns, die finanziellen Folgen eines Ausstiegs des Landes aus der S-21-Finanzierung vorzustellen, wie ihn die Volksabstimmung anstrebt.

In einem Gutachten, das Hermann am Donnerstag mit Wirtschaftsprüfern präsentieren will, werden die möglichen Schadenersatzansprüche der Deutschen Bahn mit 350 Millionen Euro angegeben. SPD-Mann Schmiedel spricht von einem Pseudogutachten; 350 Millionen Euro seien "völlig unrealistisch". Die wahrscheinlichen Ausstiegskosten bewegten sich in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Mit seinem angekündigten Auftritt breche Hermann zudem die Vereinbarung der grün-roten Koalition, wonach kein Ministerium vor der Volksabstimmung am 27.November einseitig Stellung beziehen solle, kritisierte Schmiedel.

Auch bei der 97. Montagsdemonstration hat das strittige Thema Ausstiegskosten im Mittelpunkt gestanden. Der Jurist Eisenhart von Loeper warf den Befürwortern von S21 vor, die "Wahrheit zu verfälschen und die Menschen in Milliardenhöhe zu täuschen". So rechne Bahn-Chef Rüdiger Grube zum Beispiel ungerechtfertigt die Planungskosten für die Neubaustrecke nach Ulm dem Tiefbahnhofsprojekt zu. Tatsächlich könne die Bahn lediglich 270 bis 350 Millionen Euro als Schaden geltend machen. "Das Land auf 1,5 Milliarden Euro verklagen zu wollen ist versuchter Prozessbetrug", sagte von Loeper.

Laut Polizei hatten sich am Montagabend 1800 Demonstranten vor dem Bahnhof versammelt; laut Veranstalter waren es 3500 Teilnehmer. Mehrere Redner kündigten an, unabhängig vom Ausgang der Volksabstimmung weiter gegen S21 kämpfen zu wollen. "Murks bleibt Murks", so der Stuttgarter Grünen-Stadtrat Jochen Stopper.

Auch vor Gericht wird einen Monat vor der Volksabstimmung um jeden Millimeter gerungen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat am Montag einen Eilantrag beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) eingereicht, der gegen eine Anordnung des Eisenbahnbundesamts zum Weiterbau des Grundwassermanagements von S21 gerichtet ist.

"Das Eisenbahnbundesamt überfährt wie ein außer Kontrolle geratener ICE in Höchstgeschwindigkeit einen Beschluss des höchsten Verwaltungsgerichts", kritisierte am Montag BUND-Landeschefin Brigitte Dahlbender. Der VGH war nämlich zuvor dem Eilantrag des BUND gefolgt, der seine Beteiligung am aktuellen Genehmigungsverfahren der Grundwasseraufbereitung missachtet sieht.

Das Eisenbahnbundesamt hatte am Freitagabend der Bahn erlaubt, die Grundwasseranlage im Schlossgarten weiter aufzubauen, und das mit einem "öffentlichen Interesse" begründet. In der Hauptsache will der VGH den Rechtsstreit am 15. Dezember behandeln. Das Grundwassermanagement, mit dem während der Bauzeit des geplanten Tiefbahnhofs über sechs Millionen Kubikmeter Grundwasser abgepumpt, gereinigt und teilweise ins Erdreich zurückgeführt werden sollen, ist Voraussetzung für den Bau von Stuttgart21.