Historische Weichenstellung: Am 29.Juni 2009 beschlossen OB Schuster (li.) und die Mehrheit des Gemeinderats einen Bürgerentscheid im Falle drohender Mehrkosten bei Stuttgart 21 Quelle: Unbekannt

OB Schuster lehnt ab, der Bahn einen längeren Baustopp mit 33 Millionen Euro zu bezahlen.

Stuttgart - Für OB Wolfgang Schuster (CDU) ist es "unvorstellbar", den Wunsch der Bahn nach einem Nachlass von 33 Millionen Euro für einen längeren S-21-Baustopp zu erfüllen. Falls doch, werde ein Bürgerentscheid angestrebt. Das bekräftigen Grüne, CDU und SPD im Gemeinderat.

Jahrelang haben Kritiker und Gegner von Stuttgart21 um einen Bürgerentscheid gerungen. Ohne Erfolg. Doch am Montag ist das Bürgervotum wieder in den Blickpunkt gerückt - ausgelöst durch eine Forderung von Bahn-Chef Rüdiger Grube. "Der Manager aus Berlin hat wohl schlicht übersehen, was er sich da einbrockt", sagen politische Beobachter in Stuttgart.

"Für mich ist unvorstellbar, dass die Stuttgarter Bürger für einen rund vierwöchigen Baustopp bei Stuttgart21 bis Mitte Juli 33 Millionen Euro zahlen", erklärt OB Wolfgang Schuster (CDU) am Montag gegenüber unserer Zeitung und erteilte damit der Forderung Grubes eine klare Absage.

OB Schuster erteilte dem Bahn-Chef am Telfon eine Absage

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG hatte am Wochenende Bedingungen formuliert, unter denen er den derzeitigen Bau- und Vergabestopp bis zum 15.Juli und dem Vorliegen der Stresstestergebnisse verlängern könnte. Weil sich die Inbetriebnahme von S21 dadurch aber voraussichtlich um ein Jahr verzögere, erwachse der Stadt Stuttgart ein Anspruch auf 33 Millionen Euro für die verzögerte Überlassung der alten Bahngrundstücke.

"Hier müsste die Stadt einen Beitrag leisten", sagte Grube im Interview mit unserer Zeitung. Das sei für ihn "ein sehr wichtiger Punkt", weil die Bahn die Kosten aus rechtlichen Gründen nicht zahlen werde. "Das können und dürfen wir nicht", sagte Grube. "Das erlaubt das Aktienrecht nicht."

OB Schuster schließt aus, auf die 33 Millionen Euro zu verzichten. Das hat er Grube bereits am Wochenende in einem Telefonat mitgeteilt. Der OB kann sich dabei auf einen früheren Beschluss des Gemeinderats stützen sowie - in der Sache - auf die Rückendeckung der größten Fraktionen. Bei der ersten Sitzung des neu gewählten Gemeinderats am 29.Juli 2009 hatten Grüne und SPD diverse Anträge gestellt, die einen Ausstieg aus Stuttgart21 oder zumindest eine Bürgerbeteiligung im Falle von Mehrkosten sicherstellen sollten. Ein Bürgerbegehren mit 61.193 Unterschriften und dem Ziel eines Bürgerentscheids zum Thema war allerdings wenige Tage zuvor endgültig vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart gescheitert.

Am Ende einer hitzigen Debatte stimmte eine Mehrheit von Grünen, CDU und SPD mit der Stimme von Schuster für einen Antrag der Sozialdemokraten: Der OB wurde beauftragt, im "Falle von Mehrkosten für die Stadt, die über die Vertragslage hinaus gehen, einen Bürgerentscheid über die weitere Mitfinanzierung des Projekts durchzuführen". Sollte der Bürgerentscheid rechtlich nicht zweifelsfrei durchführbar sein, solle es eine "Bürgerbefragung" geben, deren Ergebnis der Gemeinderat "für sich als politisch bindend anerkennt".

Gemeinderat will bei Mehrkosten Bürger entscheiden lassen

"Die Beschlusslage ist bindend, da gibt es keinerlei Spielraum", betonte Schuster am Montag. Der Gemeinderat habe seine Legitimation, über neue Mehrkosten zu entscheiden, 2009 an die Bürger abgetreten. "Wir stehen zu dem damaligen Beschluss", bekräftigt die SPD-Fraktionschefin im Gemeinderat, Roswitha Blind. "Nur her mit dieser Forderung der Bahn - dann entscheidet endlich der Bürger", freut sich Grünen-Fraktionschef Werner Wölfle. "Wir wollen keine Verzögerung bis 15.Juli, darum wollen wir auch nicht dafür zahlen", sagt CDU-Fraktionschef Alexander Kotz.

Am Freitag will Grube die Bedingungen für den Baustopp im S-21-Lenkungskreis verhandeln. Falls ihm die 33 Millionen Euro nicht abgenommen würden, sagte Grube im Interview, sei er vertraglich verpflichtet, die Vergaben der Tunnelbauten "zügig abzuschließen und die Baustelle hochzufahren".